Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflicht zur Vorlage elektronischer Aufzeichnungen über den Warenausgang einer Apotheke
Leitsatz (redaktionell)
1) Ein Steuerpflichtige, der eine Apotheke betreibt und den Gewinn gemäß § 4 Abs. 1 EStG ermittelt, ist nicht verpflichtet, dem FA Zugriff auf eine computergesteuert geführte Datei mit einzeln aufgezeichneten Barverkäufen zu gewähren, wenn die baren Tageseinnahmen ordnungsgemäß durch Tagesendsummenbons festgestellt sind.
2) Pauschale Hinzuschätzungen wegen der Verweigerung der Vorlage dieser elektronischen Aufzeichnungen sind unzulässig.
Normenkette
AO §§ 162, 158, 144; UStG § 22; UStDV §§ 63-68; AO § 147 Abs. 6
Nachgehend
Tatbestand
Zu entscheiden ist, ob der Beklagte in den Jahren 2007 bis 2009 (Streitjahre) Sicherheitszuschläge wegen nicht vorgelegter Dateien vornehmen konnte.
Der Kläger wird zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt. Er erzielt u.a. Einkünfte aus Gewerbebetrieb als Apotheker. Die Gewinne der Apotheke werden gem. § 4 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) ermittelt.
Der Kläger verwendet in seinem Betrieb das PC-Kassensystem Q der Firma B GmbH. Hierbei handelt es sich um ein elektronisches Kassen- und Warenwirtschaftssystem für Apotheken. Die Buchführung wird mittels eines DATEV-Programms durch den Steuerberater erstellt.
Der Beklagte führte für die Streitjahre eine Betriebsprüfung durch. Schwerpunkt war die Ordnungsmäßigkeit der Kassenbuchführung. Mit der Prüfungsanordnung vom 04.07.2011 forderte der Prüfer neben der Buchführung auch einen Datenträger mit Aufzeichnungen der PC-Kasse an. Zur Begründung nahm er auf die Vorschrift des § 147 Abs. 6 Abgabenordnung (AO) Bezug. Der Kläger legte mit Beginn der Prüfung die angeforderte Dokumentation zum EDV-System und eine dazu gehörige CDROM vor. Aus anderen Prüfungen war bekannt, dass das Programm der Firma B GmbH eine Exportfunktion der Bewegungsdaten nach den Grundsätzen zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU) besitzt und speziell für den Datenexport zu Betriebsprüfungszwecken programmseitig grundsätzlich 4 Dateien generieren kann. Der Kläger legte dem Prüfer nur 3 dieser Dateien vor. Die Vorlage der Datei C. verweigerte der Kläger im Hinblick auf die (spätere) Übergabe eines Datenträgers mit den saldierten Tagesabschluss-Werten (CD „H. Z-Bons 2007 – 2009).
Nach Durchführung einer Schlussbesprechung blieb zwischen den Beteiligten streitig, ob die angeforderte Datei vorlagepflichtig sei. Der Prüfer kam zu dem Schluss, dass eine pauschale Zuschätzung von 3 % der Bareinnahmen aufgrund der Nichtvorlage der angeforderten Datei erfolgen könne und müsse. Auf den Betriebsprüfungsbericht vom 06.06.2012 Tz. 2.6 mit Anlage 4 wird hingewiesen.
Der Beklagte folgte dem und erhöhte die Umsätze und Gewinne des Klägers mit Bescheiden vom 18.06.2012 um netto 13.387,20 EUR, 13.431,28 EUR und 13.487,16 EUR. Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg. Die Einspruchsentscheidung datiert vom 30.10.2012. Den Einspruch des Klägers gegen die Anforderung der Datei C. verwarf er nach Erlass der Bescheide als unzulässig.
Mit seiner Klage wendet sich der Kläger gegen diese Zuschätzungen. Sie seien weder dem Grunde noch der Höhe nach haltbar. So lägen schon die Voraussetzungen für eine Schätzung gem. § 162 AO nicht vor. Die Buchführung des Klägers sei ordnungsgemäß. Der Kläger sei nach der aktuellen Gesetzeslage nicht verpflichtet, die angeforderte Datei vorzulegen. Zur Begründung werde auf die Aufsätze von Bellinger (…) in der Steuerlichen Betriebsprüfung (StBp) 2011, S. 272ff und 305ff sowie 2013, S. 278ff verwiesen. Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) habe sich dieser Auffassung und nicht der von Härtl/Schieder, StBp 2011, 33ff, 68ff und 97ff angeschlossen. Fehlende Verprobungsmöglichkeiten, die die angeforderte Datei u.U. eröffnet hätte, könnten die Zuschätzung nicht rechtfertigen. Eine angebotene Stichprobe sei abgelehnt worden. Eigene oder weitere Berechnungen, Kalkulationen oder Ermittlungen zur Begründung der Höhe der Zuschätzung habe der Beklagte nicht angestellt. Die pauschale Zuschätzung von 3 % der Barumsätze sei nicht zu begründen. Die insoweit zitierten Entscheidungen seien im Streitfall nicht einschlägig.
Bei der erfolgten Hinzuschätzung handele es sich um eine unzulässige Strafschätzung. Der Beklagte verstoße gegen das Schikaneverbot. Er habe die Herausgabe von Unterlagen erzwingen wollen, die der Kläger aus Rechtsgründen für nicht aufbewahrungspflichtig und damit auch nicht herausgabepflichtig halte. Mit der Zuschätzung habe der Beklagte eine gerichtliche Überprüfung der Herausgabepflicht unterlaufen. Darin liege ein Verstoß gegen das Gewaltenteilungsprinzip und das Willkürverbot.
Der Kläger stellt die Anträge aus dem Schriftsatz vom 03.10.2013;
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweis...