Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskosten für ein Zivilverfahren in 2001 als agB
Leitsatz (redaktionell)
Kosten der Abwehr eines angeblichen Darlehensanspruchs der Schwiegereltern nach gescheiterter Ehe sind 2011 als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob Zivilprozesskosten außergewöhnliche Belastungen gem. § 33 Einkommensteuergesetz in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) darstellen.
Der Kläger erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung 2011 machte er Prozess- und Rechtsanwaltskosten, die ihm im Rahmen zweier Zivilprozesse entstandenen waren, als außergewöhnliche Belastungen geltend.
In dem Zivilprozess vor dem Landgericht G und dem Oberlandesgericht M wurde der Kläger durch seine frühere Schwiegermutter aus einer behaupteten Darlehnsforderung i.H.v. ca. 44.000 EUR in Anspruch genommen. Das behauptete Darlehn stand im Zusammenhang mit dem Bau eines Hauses, welches der Kläger mit seiner geschiedenen Ehefrau und deren Eltern während der Ehezeit gebaut und später gemeinsam bewohnt hatte. Nach der Trennung von seiner Frau kam es zu Unstimmigkeiten und damit zu seiner Inanspruchnahme aus einem behaupteten Darlehnsvertrag. Der Kläger obsiegte in erster Instanz vor dem Landgericht und stimmte vor dem Oberlandesgericht einem Vergleich zu. Für dieses Verfahren entstanden dem Kläger Prozesskosten und Kosten für die Inanspruchnahme des Prozessbevollmächtigten in Höhe von insgesamt 5.707,92 EUR.
In dem Verfahren vor dem Amtsgericht L über den Zugewinnausgleich mit seiner geschiedenen Ehefrau belief sich die Vergütung für den Prozessbevollmächtigten im Streitjahr auf 3.406,08 EUR. Aus dem Sitzungsprotokoll des Amtsgerichts (Familiengericht) L vom 15.11.2011 (Az.) ergibt sich folgender Beschluss:
„…
- Das Gericht wird versuchen, den Parteien einen schriftlichen Vergleichsvorschlag zu unterbreiten.
- Anderenfalls wird Verkündungstermin von Amtswegen bestimmt.
Der Beklagte führte die Einkommensteuerveranlagung 2011 ohne Berücksichtigung der geltend gemachten Prozess- und Rechtsanwaltskosten durch. Der Kläger legte gegen den Einkommensteuerbescheid vom 04.04.2012 Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 04.06.2012 als unbegründet zurückwies.
Mit seiner am 29.06.2012 erhobenen Klage begehrt der Kläger die Anerkennung der ihm entstandenen Prozess- und Rechtsanwaltskosten in Höhe von insgesamt 9.114 EUR als außergewöhnliche Belastungen. Er vertritt die Auffassung, dass ihm durch die beiden Zivilprozesse zwangsläufig Kosten entstanden seien, die außergewöhnlich belastend seien. Er sei im Klagewege aus einer behaupteten Darlehnsforderung in beträchtlicher Höhe in Anspruch genommen worden, durch die er durchaus in seiner Existenz berührt gewesen sei. Seine Rechtsposition im Klageverfahren sei auch nicht von Anfang an aussichtslos gewesen, was sich daran zeige, dass er in der ersten Instanz obsiegt habe. Auch bei dem vor dem Amtsgericht geführten Rechtsstreit über den Zugewinnausgleich handele es sich um erhebliche Beträge. Mit der Auseinandersetzung des gesamten Vermögens handele es sich um einen Rahmen, der über das Übliche hinausgehe. Zur Begründung beruft sich der Kläger insbesondere auf das BFH-Urteil VI R 42/10 vom 12.05.2011, BStBl. II 2011, 1015.
Der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 2011 vom 04.04.2012 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 04.06.2012 dahingehend abzuändern, dass die dem Kläger entstandenen Prozess- und Rechtsanwaltskosten in Höhe von 9.114 EUR als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden;
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen;
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beruft sich auf einen Nichtanwendungserlass des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) vom 02.12.2011 (BStBl. I 2011, 1286), in dem das von dem Kläger zitierte Urteil des BFH vom 12.05.2011 (a.a.O.) über den Einzelfall hinaus für nicht anwendbar erklärt wird. Er vertritt die Auffassung, dass Kosten für Zivilprozesse regelmäßig nicht zwangsläufig erwachsen würden und nur in Ausnahmefällen als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen seien, wenn die Existenz des Steuerpflichtigen bedroht sei. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Im Übrigen vertritt er die Auffassung, dass Kosten für ein Verfahren über den Zugewinnausgleich, auch wenn sie mit der Scheidung der Ehe zusammenhingen, nicht als unmittelbare und unvermeidbare Kosten des Scheidungsprozesses einzuordnen seien.
Der Senat hat in öffentlicher Sitzung am 16.12.2013 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Einkommensteuerbescheid 2011 vom 04.04.2012 und die Einspruchsentscheidung vom 04.06.2012 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Die dem Kläger e...