Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtanwendbarkeit der 90%-Grenze des sog. Einstiegstests nach § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Verschonungsabschlag und der Abzugsbetrag nach § 13a Abs. 1 und 2 ErbStG sind nicht zu versagen, wenn eine Kapitalgesellschaft deren Anteile unentgeltlich übertragen wurden, ihrem Hauptzweck nach einer land- und forstwirtschaftlichen, originär gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit dient.
2. Die Vorschrift des § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG ist im Wege der teleologischen Reduktion dahingehend auszulegen, dass der sog. Einstiegstest nicht zur Anwendung kommt, wenn die betreffende Gesellschaft hauptsächlich Tätigkeiten i.S. des § 13 Abs. 1, des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, des § 18 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG dient.
3. § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG soll solches begünstigungsfähiges Vermögen von der Verschonung ausnehmen, das nahezu ausschließlich aus Verwaltungsvermögen besteht, weil die Verschonung betrieblichen Vermögens verfassungskonform ausgestaltet werden sollte, um die vorhandene Beschäftigung in den übergehenden Betrieben zu sichern.
Normenkette
ErbStG § 13a Abs. 2, § 13b; EStG § 13 Abs. 1, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 18 Abs. 1 Nrn. 1-2; ErbStG § 13a Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob der Verschonungsabschlag und der Abzugsbetrag gemäß § 13a Abs. 1 und Abs. 2 des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) i. d. F. des Gesetzes vom 04.11.2016 (BGBl. I 2016, Seite 2464) nach dem sog. Einstiegstest i. S. des § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG zu versagen sind.
Die Klägerin erwarb durch Schenkung ihres zwischenzeitlich verstorbenen Vaters alle Anteile an der B-GmbH (im Folgenden: GmbH) mit Sitz in C-Stadt. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Vertrag vom 07.03.2017 (UR-Nr. 1 des Notars Dr. N. in C-Stadt). Diese Anteile werden bis heute von ihr gehalten.
Die GmbH beschreibt sich selbst auf ihrer Homepage xxx als Vertriebsunternehmen von Originalarzneimitteln und pharmazeutischen Generika, das hochwertige Medizinprodukte vertreibt und zugleich forschend tätig ist. Ausweislich des Handelsregistereintrags (Amtsgericht C-Stadt, HRB 1) ist Gegenstand des Unternehmens „der Handel mit und der Vertrieb von pharmazeutischen Produkten, das Erwirken von Arzneimittelzulassungen und Warenzeichen, die Lizenznahme und Lizenzvergabe, die Vertriebsberatung und der Eigenvertrieb pharmazeutischer Produkte und die Herstellung der Produkte,”…”ferner die Entwicklung von pharmazeutischen Wirkstoffen,”… „Import und Export von pharmazeutischen Produkten sowie Feinchemikalien”. Wegen der Einzelheiten wird auf den Handelsregistereintrag Bezug genommen. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass das tatsächliche Tätigkeitsfeld der Gesellschaft diesen Beschreibungen entsprach und weiter entspricht.
Am 05.07.2017 ging die Schenkungsteuererklärung der Klägerin beim Beklagten ein. Darin gab sie als alleinige Vorschenkung eine Geldschenkung von 200.000 EUR im Jahr 2014 an. In der „Anlage Steuerentlastung für Unternehmensvermögen (§§ 13a, 13b und 13c ErbStG) zur Schenkungsteuererklärung” war unter dem Abschnitt „Sockelbetrag für Finanzmittel” in Zeile 19 angekreuzt, dass der Hauptzweck des Unternehmens eine Tätigkeit i. S. des § 13 Abs. 1, des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder des § 18 Abs. 1 Nr. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sei.
Das Finanzamt C-Stadt traf – nach entsprechender Anforderung des Beklagten – mit Bescheid vom 19.04.2018 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung mehrere gesonderte und einheitliche Feststellungen. Den Wert des Anteils an der Kapitalgesellschaft stellte es auf 555.975 EUR fest.
Darüber hinaus wurden folgende Werte festgestellt:
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Summe der gemeinen Werte der Finanzmittel: |
2.517.649 EUR |
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Summe der gemeinen Werte der jungen Finanzmittel: |
60.000 EUR |
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Summe der gemeinen Werte des Verwaltungsvermögensnach § 13b Abs. 4 Nr. 1 bis 4 ErbStG: |
0 EUR |
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Summe der gemeinen Werte des jungen Verwaltungsvermögens: |
0 EUR |
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Summe der gemeinen Werte der Schulden: |
3.138.504 EUR |
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Anzahl der Beschäftigten: |
21 Personen |
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Ausgangslohnsumme: |
984.330 EUR |
Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 19.04.2018 des Finanzamtes C-Stadt Bezug genommen.
Der Beklagte erließ am 25.10.2018 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung einen Schenkungsteuerbescheid auf den 07.03.2017, welcher einen steuerpflichtigen Erwerb von 344.500 EUR auswies. Zu dem Wert des Erwerbs von 544.598 EUR, den der Beklagte anhand des festgestellten Wertes der Anteile von 555.975 EUR abzüglich Kosten und Gebühren von insgesamt 11.377 EUR ermittelte, addierte er Vorschenkungen von 200.000 EUR und brachte anschließend einen Freibetrag von 400.000 EUR in Abzug. Die Schenkungsteuer wurde auf 51.675 EUR festgesetzt. In den Erläuterungen zum Bescheid führte der Beklagte aus, dass nach § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG (90 % Prüfung) eine Begünstigung nach § 13a ErbStG nicht gewährt werden könne.
Die Klägerin legte gegen den Bescheid vom 25.10.2018 am 21.11.2018 Einspruch ein un...