Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachweis der Absendung einer Einspruchsentscheidung
Leitsatz (redaktionell)
1) Ist die Absendung einer Einspruchsentscheidung durch Absendevermerk der Poststelle des FA festgehalten, spricht der Beweis des ersten Anscheins für die Aufgabe zur Post an dem vermerkten Tag.
2) Fehlt ein Absendevermerk der Poststelle kann die Behörde zum Nachweis der Aufgabe darlegen, wie der Ablauf der Postversendung gestaltet war und welche Maßnahmen ergriffen worden waren, um die Gewähr für die Übereinstimmung vom dem vermerkten Postaufgabetag und dem tatsächlichen Aufgabetag zu bieten.
3) Zur Widerlegung der 3-Tagesvermutung der Bekanntgabe nach Aufgabe zur Post muss der Stpfl. Beweisvorsorge treffen, insbesondere den Briefumschlag mit Poststempel vorhalten.
Normenkette
AO § 122
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klage fristgerecht erhoben worden ist.
Der Kläger ist polnischer Staatsangehöriger. Er hatte ab August 2011 einen Wohnsitz im Inland in C. und seit August 2014 in D.. Er stellte am 04.09.2012 einen Antrag auf Kindergeld für seine Töchter E., geboren am …1993, und F., geboren am …2004. Die Beklagte lehnte den Kindergeldantrag mit Verfügung vom 30.04.2013 ab. Den hiergegen von dem Kläger am 13.05.2013 eingelegten Einspruch wies die Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 05.11.2015 als unbegründet zurück. Auf der Einspruchsentscheidung ist vermerkt: „abgesandt am 06.11.2015”.
Der Kläger hat am 10.12.2015 Klage erhoben.
Im Laufe des Klageverfahrens stellte die Beklagte unstreitig, dass die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Kindergeld für die Tochter E. für den Zeitraum von August 2011 bis April 2013 und für die Tochter F. für den Zeitraum von August 2011 bis November 2015 vorliegen. Jedoch sei die Klage unzulässig, da sie nicht fristgemäß erhoben worden sei und Gründe für eine Wiedereinsetzung gemäß § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht bekannt seien.
Der Kläger trägt vor: Die Einspruchsentscheidung vom 05.11.2015 sei ihm erst am 12.11.2015 zugegangen. Er habe bei seiner Prozessvertreterin, die mit dem Fall bereits am 05.11.2015 durch einen Termin vertraut gewesen sei, am 12.11.2015 angerufen und um einen weiteren Termin gebeten, weil er ein Schreiben der Beklagten am 12.11.2015 erhalten habe. Eine entsprechende Notiz befinde sich in den Akten seiner Prozessvertreterin:
„… Aktenvermerk vom 12.11.2015, 11.45 Uhr |
(Der Kläger) … rief an und teilte mit, dass er ein Schreiben von der Familienkasse erhalten hatte. Nachdem er den ersten Satz am Telefon vorgelesen hatte, hat man ihm mitgeteilt, dass er unverzüglich einen Termin vereinbaren solle. Herr B. soll an den gleichen Tag das Schreiben vorbei bringen. gez. G. …”
Die Zugangsfiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) greife nicht, wenn der Zugang tatsächlich erst später erfolge. Im Zweifel habe die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Die Zugangsfiktion reiche dafür nicht aus. Es sei nicht unüblich, dass die Postwege mittlerweile teilweise bis zu einer Woche dauern, vor allem, wenn in der Zwischenzeit ein Wochenende liege.
Der Senat hat am 07.11.2016 mündlich verhandelt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung erläuterte die Prozessbevollmächtigte des Klägers, dass sie das Telefongespräch, das dem Aktenvermerk vom 12.11.2015 zugrunde liege, nicht persönlich geführt habe, sondern dass dieses von einer ihrer Mitarbeiterinnen geführt worden sei. Der Aktenvermerk sei von ihr – so die Prozessbevollmächtigte weiter – aufgrund einer mündlichen Mitteilung ihrer Mitarbeiterin erstellt worden. Dass der Kläger gesagt habe, er habe die Einspruchsentscheidung von der Familienkasse am Tag des Anrufs erhalten, ergebe sich nicht aus dem Aktenvermerk. Das werde der Kläger ihrer Mitarbeiterin auch nicht gesagt haben. Dass der Zugang am Tag des Anrufs gewesen sei, habe der Kläger ihr in einem späteren Gesprächstermin gesagt und aufgrund dieser Aussage sei dann auch die Klagefrist von ihr berechnet worden. Die Beklagtenvertreterin reichte in der mündlichen Verhandlung eine E-Mail, die den Ablauf der Postversendung bei der Beklagten zum Gegenstand hat, zur Gerichtsakte. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Die Sache wurde vertagt.
Der Kläger trägt im Anschluss an den Termin ergänzend vor: Es werde bestritten, dass am 06.11.2015 bei der Beklagten ein Botengang stattgefunden habe, dass das Schreiben von der Poststelle des Beklagten am 06.11.2015 einem Zustelldienst übergeben worden sei und dass der Zustelldienst die Einspruchsentscheidung tatsächlich innerhalb von drei Tagen nach dem 06.11.2015 ihm zugestellt habe. Er könne sich leider nicht mehr daran erinnern, wann genau er die Einspruchsentscheidung vom 05.11.2015 erhalten habe. Die Post komme bei ihnen unterschiedlich an. Dies hänge davon ab, wer sie austrage, d.h. ob es die Deutsche Post oder ein anderes Unternehmen sei. Manchmal sei die Post früh mo...