Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung von Verpflegungsmehraufwendungen und Fahrtkosten einer Soldatin auf Zeit zur Bildungsstätte in der Zeit der Freistellung vom militärischen Dienst für eine Bildungsmaßnahme
Leitsatz (redaktionell)
Erste Tätigkeitsstätte einer Soldatin auf Zeit, die sich in der Freistellung vom militärischen Dienst für eine Bildungsmaßnahme befindet und dem Dienstherrn nicht mehr im Sinne einer ständigen Zugriffs- und Verwendungsmöglichkeit aktiv zur Verfügung steht, ist nicht mehr der letzte militärischen Dienstort sondern der Sitz der Bildungsstätte, so dass Fahrtkosten vom Wohnort zur Bildungsstätte nur in Höhe der Entfernungspauschale zu berücksichtigen sind und keine Verpflegungsmehraufwendungen angesetzt werden können.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 4 S. 4
Tatbestand
Streitig ist die Ermittlung von Fahrtkosten nach Reisekostenrecht und der Ansatz von Mehraufwendungen für Verpflegung im Jahr 2019.
Die Klägerin wird einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Sie war von Anfang 2009 bis Anfang 2021 Soldatin auf Zeit. Bis Ende 2013 war sie in Z stationiert und wurde durch Versetzungsverfügung des Bundesamts für das Personalmanagement vom 05.09.2013 ab 06.01.2014 an den Standort X versetzt. Die Versetzung enthielt als voraussichtliche Verwendungsdauer das Datum 04.01.2019. Die Klägerin blieb in X; eine weitere Verfügung nach dem 04.01.2019 gab es nicht. Im Streitjahr erzielte sie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und wohnte in 90617 W.
Mit Bescheid der Bundeswehr vom 06.09.2019 wurde die Teilnahme der Klägerin an der Laufbahnausbildung in der 2. Qualifikationsebene zur Verwaltungssekretärin bei der Stadt Y nach§ 5 SVG gefördert und sie in der Zeit von 01.09.2019 bis 04.01.2021 vom militärischen Dienst freigestellt. Weitere Maßnahmeorte seien das FOM Hochschulzentrum und das BVS-Bildungszentrum (jeweils in V). Mit Wirkung vom 01.09.2019 wurde die Klägerin in das Beamtenverhältnis auf Widerruf berufen (vgl. Urkunde vom xx.xx.2019). Sie erhielt im Streitjahr Bezüge vom Bundesverwaltungsamt, U (Besoldungsgruppe A) und von der Stadt Y keine Bezüge (vgl. Ausdrucke der elektronischen Lohnsteuerbescheinigungen: Steuerklassen 1 bzw. 6).
In der Einkommensteuererklärung für 2019 wurde in erheblichem Umfang der Abzug von Aufwendungen als Werbungskosten, u.a. für Auswärtstätigkeit, beantragt. Mit Bescheid vom 02.11.2020 setzte der Beklagte die Einkommensteuer für 2019 auf 7.139 € fest. Es wurde der Arbeitnehmer-Pauschbetrag i.H.v. 1.000 € berücksichtigt.
Hiergegen legte die Klägerin durch den Prozessbevollmächtigten in A am 04.11.2020 Einspruch ein.
Sie führte - bezüglich der streitigen Aufwendungen - aus, dass die Tätigkeit bei der Stadt Y im Streitjahr eine Auswärtstätigkeit darstelle. Die Fahrtkosten seien nach Reisekostenrecht anzusetzen und die Mehraufwendungen für Verpflegung zu berücksichtigen.
Sie habe während der aktiven Dienstzeit bei der Bundeswehr die erste Tätigkeitsstätte beim Stammtruppenteil, d.h. in der Kaserne X, nicht aufgegeben. Die Freistellung vom militärischen Dienst sei ausschließlich zum Zwecke der Bildungsmaßnahme erfolgt. Ob sie den Ausbildungsgang freiwillig gewählt habe oder nicht, sei nicht entscheidend. Die Stadt Y sei lediglich Ausbildungsstätte gewesen, die im Rahmen der Tätigkeit für die Bundeswehr aufgesucht worden sei, da die Bundeswehr die Ausbildung selbst nicht anbiete/anbieten könne. Da ein Arbeitnehmer innerhalb eines Dienstverhältnisses nur eine Tätigkeitsstätte haben könne, habe sich diese noch bei der Bundeswehr befunden.
Der Verweis auf § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG könne vorliegend nicht gelten, da die Abordnung nach Y nicht unbefristet und für einen Zeitraum von weniger als 48 Monaten erfolgt sei. Auch die Alternative des § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG komme nicht zur Anwendung. Eine dienstrechtliche Festlegung liege nicht vor bzw. sei nicht eindeutig. Die Abordnung an die Stadt Y umfasse nicht die gesamte Dauer des Dienstverhältnisses, da das Dienstverhältnis bei der Bundeswehr am 04.01.2021 ende.
Die Klägerin wies außerdem darauf hin, dass in dem Bescheid der Bundeswehr vom 06.09.2019 unter "Auflösende Bedingungen" u.a. vermerkt sei, dass die bewilligte Förderung bei einer Nichtteilnahme an der Bildungsmaßnahme ende. Unter "Melde-, Anzeige- und Mitteilungspflichten" sei u.a. weiter vermerkt:
"Falls Sie unter Freistellung vom militärischen Dienst an der Bildungsmaßnahme teilnehmen, haben Sie sich während des Freistellungszeitraums unverzüglich bei Ihrem(r) nächsten Disziplinarvorgesetzten oder der hierzu bestimmten Stelle persönlich zur Aufnahme des militärischen Dienstes zu melden, wenn Sie
1. die Bildungsmaßnahme nicht oder verspätet antreten,
2. ihr ohne berechtigten Grund einen Tag oder länger fernbleiben oder
3. sie unterbrechen oder vorzeitig beenden."
Diese Pflichten belegten das Fortbestehen des aktiven Dienstverhältnisses zur Bundeswehr. Selbst eine Meldung beim nächsten (möglicherweise ehemaligen) Disziplinarvorgesetzten sei vorgesehen. Es liege auch eine Kommandieru...