Entscheidungsstichwort (Thema)
Werbungskosten: Bildungseinrichtung als erste Tätigkeitsstätte bei einem auf mehr als drei Monate angelegten, in Vollzeit außerhalb eines Arbeitsverhältnisses absolvierten Fortbildungslehrgang
Leitsatz (redaktionell)
Jedenfalls bei einem auf mehr als drei Monate angelegten, in Vollzeit außerhalb eines Arbeitsverhältnisses absolvierten Fortbildungslehrgang am Ort der Bildungseinrichtung wird diese Einrichtung zur ersten Tätigkeitsstätte gemäß § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG, so dass Kosten für Unterkunft sowie Mehraufwendungen für Verpflegung nicht als (vorweggenommene) Werbungskosten berücksichtigt werden können.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 8
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob bei einem mehr auf drei Monate angelegten, in Vollzeit außerhalb eines Arbeitsverhältnisses absolvierten Fortbildungslehrgang am Ort der Bildungseinrichtung eine erste Tätigkeitsstätte gem. § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG, so das Mehraufwendungen für verpflegungskosten besteht.
Der ledige Kläger wurde für das Streitjahr 2014 einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Er erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit.
In seiner Einkommensteuererklärung 2014 erklärte er im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bei den sonstigen Werbungskosten folgende Aufwendungen für einen im Zeitraum vom 08.09. – 18.12.2014 in Vollzeit absolvierten Schweißtechnikerlehrgang bei der Schweißtechnischen Lehr- und Versuchsanstalt in A-Stadt:
Lehrgangskosten |
5.400,00 € |
Prüfungskosten |
885,00 € |
Fahrtkosten (ÖPNV) |
119,70 € |
Unterkunftskosten (Miete mtl. 650 €) |
2.600,00 € |
Verpflegungsmehraufwand für drei Monate |
2.076,00 € |
abzüglich Stipendium |
-4.440,58 € |
abzüglich Zuschuss Meister-BAföG |
-164,70 € |
abzüglich Stipendium |
-309,48 € |
abzüglich Stipendium |
-1.249,94 € |
Summe |
4.916,00 € |
Auf Nachfrage des Finanzamts erläuterte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 19.11.2015, die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung hätten nicht vorgelegen.
Das Finanzamt veranlagte den Kläger für das Jahr 2014 mit Bescheid vom 09.12.2015 und berücksichtigte die Aufwendungen für den Schweißtechnikerlehrgang wie folgt:
Lehrgangskosten |
5.400,00 € |
Prüfungskosten |
885,00 € |
Fahrtkosten (ÖPNV) |
333,00 € |
Zwischensumme |
6.618,00 € |
abzüglich Stipendium |
-6.000,00 € |
abzüglich Darlehenserlass |
-379,00 € |
abzüglich Zuschuss Meister-BAföG |
-164,00 € |
berücksichtigungsfähig |
75,00 € |
Gegen diesen Bescheid legte der Prozessbevollmächtigte im Namen des Klägers mit Telefax vom 11.12.2015 Einspruch ein. Er bezweifelte, dass die Neuregelung des Reisekostenrechts ab dem Jahr 2014 tatsächlich den Abzug der Unterkunftskosten auch bei einer nur auf wenige Monate befristeten Bildungsmaßnahme ausschließe. Bei kürzeren Maßnahmen könne ein Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip vorliegen.
Mit Einspruchsentscheidung vom 02.01.2017 wies das Finanzamt den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, gem. § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG gelte auch eine Bildungseinrichtung als erste Tätigkeitsstätte, wenn diese außerhalb eines Dienstverhältnisses und zum Zweck einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme aufgesucht werde. In diesem Fall komme die Berücksichtigung von Reisekosten nicht in Betracht. Fahrten zwischen Wohnung und Bildungseinrichtung seien mit der Entfernungspauschale gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG abgegolten. Übernachtungskosten, Familienheimfahrten und Verpflegungsmehraufwand seien nur im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung abzugsfähig. Der Begriff der Bildungsmaßnahme sei nicht durch Dauer oder Umfang beschränkt. Die Ausbildung zum Internationalen Schweißtechniker ST sei allgemein anerkannt und erfülle damit die Voraussetzungen einer Berufsausbildung im Sinne des neuen Reisekostenrechts. Ein Meisterbonus sei nicht gezahlt worden. Die Neuregelungen zum Meisterbonus seien somit nicht auf den Streitfall anwendbar.
Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben. Er trägt vor, nach dem Ende seines bisherigen Beschäftigungsverhältnisses zum 31.07.2014 sei er bis zum Beginn des Schweißtechnikerlehrgangs am 08.09.2014 und nach dem Ende des Lehrgangs vom 18.12.2014 bis ins Jahr 2015 arbeitslos gemeldet gewesen.
Nach Ansicht des Klägers habe der Beklagte die Unterkunftskosten und die Verpflegungsmehraufwendungen unter Berufung auf § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG zu Unrecht nicht berücksichtigt. Der Streitfall sei mit dem eines Studenten, der von vornherein für viele Jahre an den Studienort ziehe, nicht zu vergleichen. Er, der Kläger, habe in seinem nur drei Monate dauernden Lehrgang überhaupt nicht die Möglichkeit gehabt, seine beruflich veranlassten Mehraufwendungen zu reduzieren, indem er zum Beispiel seine Wohnung daheim aufgegeben oder untervermietet hätte oder in A-Stadt ein günstigeres Zimmer gesucht hätte. Entscheidend sei die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „vollzeitige Bildungsmaßnahme“. Subsumiere man hierunter jede Bildungsmaßnahme, die eine auswärtige Unterbringung erfordere, dann erlaube ...