Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen als anschaffungsnahe Herstellungskosten i. S. von § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG
Leitsatz (amtlich)
(1) Bei der Prüfung, ob die Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen zu anschaffungsnahen Herstellungskosten i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG führen, ist bei einem aus mehreren Einheiten bestehenden Gebäude dann auf das Gebäude insgesamt abzustellen, wenn das Gesamtgebäude nicht in unterschiedlicher Weise genutzt wird und somit nicht in verschiedene Wirtschaftsgüter aufzuteilen ist.
(2) Hierbei kommt es nicht auf die frühere Nutzung durch den Veräußerer oder die ursprünglich vom Kläger beabsichtigte Nutzung der ehemaligen Praxisräume zu fremdbetrieblichen Zwecken an, sondern entscheidend ist, dass nach der Änderung der Zweckbestimmung für das Nebenhaus alle Gebäudeteile zur Wohnvermietung genutzt werden und und der Steuerpflichtige tatsächlich nie eine gewerbliche Vermietung oder gewerbliche Nutzung vorgenommen hat.
Normenkette
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 1a
Tatbestand
Streitig ist, ob Aufwendungen für Renovierungs- und Instandhaltungsarbeiten bei einer erworbenen Immobilie anschaffungsnahe Herstellungskosten i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG oder sofort abzugsfähige Erhaltungsaufwendungen sind.
Die Kläger werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Kläger erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom 19.04.2013 ein mit "Gebäude- und Freifläche" bezeichnetes Grundstück in O, S zum Kaufpreis von 389.000 €.
Das erworbene Haus besteht aus einem 1972 erbauten "Haupthaus" (mit Blick von der Straße aus links) mit drei Wohnungen, das vom Veräußerer für fremde Wohnzwecke genutzt wurde, und einem 1976 als Anbau errichteten "Nebenhaus" (rechts) mit eigenem Eingang, das vom Vorbesitzer fremdbetrieblich (Physiotherapiepraxis/ Massagesalon über zwei Etagen) genutzt wurde.
Im Anschluss an die Durchführung einiger Renovierungs- und Instandhaltungsarbeiten vermietete der Kläger im Haupthaus die Wohnungen im 1. Obergeschoss und im Dachgeschoss seit 01.08.2013 bzw. 01.10.2013 und die Wohnung im Erdgeschoss seit 01.07.2014 zu Wohnzwecken. Hinsichtlich des Nebenhauses versuchte er zunächst, ein neues Mietverhältnis mit gewerblicher Nutzung abzuschließen. Der Kläger beauftragte die Firma Immobilien T, Inhaber A T, damit, für die Praxis-/Gewerberäume in der rechten Haushälfte einen Mietvertrag zu vermitteln. Da insoweit eine Vermietung nicht gelang, baute der Kläger die früheren Praxisräume in eine Wohnung über zwei Etagen um. Diese Wohnung (135 qm) vermietete der Kläger mit Mietvertrag vom 28.05.2014 ab dem 10.06.2014.
Für die Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen des Haupthauses (vorhandene Wohnungen) sind dem Kläger Aufwendungen in Höhe von 34.280,63 € ohne Umsatzsteuer entstanden, davon 23.139,61 € in 2013 und 11.141,02 € in 2014. Der Umbau des Nebenhauses in eine Wohnung (ursprüngliche Praxis) verursachte ihm Kosten in Höhe von 45.795,60 € ohne Umsatzsteuer. Die gesamten der Anschaffung des Gebäudes nachgelagerten Aufwendungen betrugen 80.076,23 € ohne Umsatzsteuer.
Den in den Jahren 2013 und 2014 gezahlten Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwand erklärten die Kläger in ihren Einkommensteuererklärungen jeweils als sofort und voll abzuziehenden Erhaltungsaufwand.
Das Finanzamt vertrat hingegen die Auffassung, dass die hinsichtlich der nachträglichen Herstellungskosten auf das Gesamtgebäude zu beziehende 15 %-Grenze überschritten sei und die Bauaufwendungen als anschaffungsnahe Herstellungskosten i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG zu qualifizieren seien.
Mit Einkommensteuerbescheid für 2014 vom 06.04.2016 nahm das Finanzamt anstelle des Abzugs der erklärten Erhaltungsaufwendungen einen Werbungskostenabzug nur im Wege einer entsprechend erhöhten Gebäudeabschreibung (AfA) vor.
Die Kläger erhoben Einspruch.
Zur Begründung führten sie an, dass die vom Finanzamt vorgenommene gebäudebezogene Betrachtungsweise hinsichtlich der anschaffungsnahen Herstellungskosten unzutreffend sei. Vielmehr sei eine Prüfung getrennt nach den verschiedenen Nutzungs- und Funktionszusammenhängen der Gebäudeteile, im Streitfall daher eine Trennung nach "linker" und "rechter" Gebäudehälfte, vorzunehmen. Die Baumaßnahmen in den Räumlichkeiten der Physiotherapiepraxis seien unstreitig anschaffungsnahe Herstellungskosten, wohingegen die Baumaßnahmen in der von Beginn an zur Nutzung als Wohngebäude beabsichtigten Haushälfte Erhaltungsaufwendungen darstellten, deren Höhe allerdings unter der in § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG geregelten 15 %-Grenze lägen und somit zum vollen Abzug als Werbungskosten berechtigten.
Die Aufteilung des Gebäudes in zwei Gebäudeteile sei trotz des einheitlichen Kaufvertrags vorgesehen und beabsichtigt gewesen. Die unterschiedlich zu nutzenden Gebäudeteile hätten sich bereits in der Kaufanbahnung niedergeschlagen. Im Verkaufsgespräch sei die Trennung hinsichtlich der steuerlichen Betrachtung durch den Voreigentümer geschildert worden....