Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer 1987 und 1990
Nachgehend
Tenor
I. Die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1987 und 1990 vom 04. November 1991 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. April 1994 werden aufgehoben.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten zugunsten der Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 450,– DM abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Hohe leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der verbilligte Erwerb von Aktien seitens des Ehemannes der Klägerin als steuerpflichtiger Arbeitslohn anzusehen ist.
Die Klägerin wurde zusammen mit ihrem verstorbenen Ehemann zur Einkommensteuer veranlagt. Der Ehemann der Klägerin erzielte als Montagemeister bei der Firma … GmbH in … Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Diese Einkünfte wurden bei der Einkommensteuerveranlagung 1987 entsprechend der Lohnsteuerkarte mit … DM angesetzt. Der Bescheid vom 14. September 1988 erwuchs in Bestandskraft. Auch bei der Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 1990 setzte der Beklagte den in der Lohnsteuerkarte ausgewiesenen Bruttoarbeitslohn in Höhe von … DM als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit an. Dieser Bescheid vom 10. September 1991 erwuchs ebenfalls in Bestandskraft.
Aufgrund einer Antrage des beklagten Finanzamts vom 19. September 1991, daß der Ehemann der Klägerin nach vorliegenden Unterlagen im Januar 1987 Aktien der … zu einem Vorzugspreis erworben habe und daß unter Umständen Gratisaktien ausgegeben worden seien und daß die Einkommensteuererklärungen der entsprechenden Jahre die Besteuerung der genannten Vorteile nicht erkennen lassen wurden und deshalb zu ergänzen seien, teilte der Ehemann der Klägerin mit, daß er am 23. Januar 1987 19 Aktien a 74,72 DM erworben habe, die sich noch in seinem Besitz befinden wurden. Außerdem habe er am 23. Januar 1990 19 Gratisaktien der selben Firma erhalten (Bl. 22 ff. ESt-Akten).
Der Beklagte erließ am 04. November 1991 für die Streitjahre nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung – AO – geänderte Einkommensteuerbescheide und setzte nunmehr die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Jahr 1987 mit … DM und im Jahr 1990 mit … DM an. Eine Erläuterung, weshalb die Änderung erfolgte, wurde nicht gegeben. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1987 und 1990 vom 04. November 1991 (Bl. 18 ff. und 56 ff. ESt-Akten) Bezug genommen.
Mit ihrem Einspruch vom 08. September 1991 tragt die Klägerin vor, es sei ihr erst auf eine telefonische Rückfrage hin mitgeteilt worden, daß die Änderung aufgrund der von ihrem Ehemann bei der Privatisierung des … Konzerns erworbenen Aktien erfolgt sei. Es sei unverständlich, weshalb dieser Erwerb im Nachhinein als Einkommen betrachtet und versteuert werde. Der beim Kauf eingeräumte Rabatt sei keineswegs auf Firmenbeschäftigte beschränkt gewesen und stelle auch kein Entgelt für geleistete Arbeit dar (Bl. 62 ESt-Akte).
Daraufhin teilte der Beklagte der Klägerin am 05. Dezember 1991 mit, daß bei den V. eine Lohnsteuer-Außenprüfung durch das Finanzamt … stattgefunden habe. Hierbei sei der Sachverhalt ermittelt und das Finanzamt über die Oberfinanzdirektion … angewiesen worden, die folgenden Werte als geldwerter Vorteil dem Lohnabzug zu unterwerfen:
1987 (20 % Rabatt) 18,68 DM je Aktie;
1990 190,50 DM je Gratisaktie.
Bereits beim Erwerb sei der Ehemann der Klägerin von seinem Arbeitgeber darauf hingewiesen worden, daß dieser geldwerte Vorteil zu versteuern sei (Bl. 64 ESt-Akte).
Nach einer Rundverfügung der Oberfinanzdirektion … vom 11. Juli 1991 stellt sich der Sachverhalt aufgrund einer Lohnsteueraußenprüfung bei der V. in … und ihren Anhang betrieben wie folgt dar:
„Alle Arbeitnehmer und ehemaligen Arbeitnehmer der zur V. gehörenden Firmen konnten im Jahr 1987 im Rahmen der Privatisierung der bisher im Eigentum des Staates Frankreich stehenden … Aktien zum Vorzugspreis erwerben. Im einzelnen bestanden folgende Ausgabebedingungen:
Den Arbeitnehmern war insgesamt die Zeichnung von Aktien mit einem Höchstkaufwert von 568.000 FF (= 171.380,– DM) möglich. Dabei wurden allerdings Aufträge nur bis zum Erwerb von 200 Aktien, deren Ausgabekurs 93,40 DM je Stück betrug, voll bedient. Die Erwerber erhielten einen Rabatt von 5 v.H. (= 4,70 DM) bzw. von 20 v.H. (= 18,68 DM) je Aktie.
Bei der Gewährung eines Preisnachlasses von 5 v.H. bestand keine Veräußerungssperre. Soweit sich die Aktien im Januar 1988 noch im Depot des Arbeitnehmers befanden, erhielt der Arbeitnehmer am 18. Januar 1988 für jede gekaufte Aktie eine Gratisaktie (höchstens 16 Stück). Ein Rabatt von 20 v.H. wurde gewahrt, wenn die Aktie auf zwei Jahre festgelegt wurde. Nach Ablauf eines weiteren Jahres wurden an diese Arbeitnehmer, soweit sie 1988 wenig...