Revision eingelegt (BFH VI R 93/13)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Abziehbarkeit von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen
Leitsatz (amtlich)
Im Zusammenhang mit einem Zivilprozess im Jahr 2010 angefallene Rechtsanwaltsgebühren sind nach der neuen Rechtsprechung des BFH (BFH-Urteil vom 12.05.2011 VI R 42/10, BStBl II 2011, 1015) unter bestimmten Voraussetzungen als außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 EStG abziehbar.
Normenkette
EStG §§ 33, 11 Abs. 2 S. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung von Rechtsanwaltskosten als außer-gewöhnliche Belastungen nach § 33 Einkommensteuergesetz (EStG).
Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Die Klägerin erzielte als kaufmännische Angestellte im Streitjahr 2010 Einkünfte aus nicht-selbständiger Arbeit. Da sie sich in Altersteilzeit befand, wurde ihr ein steuerfreier Aufstockungsbetrag in Höhe von ... € gezahlt, der dem Progressionsvorbehalt unterliegt. Der Kläger bezog keine Einkünfte. In ihrer Einkommensteuererklärung 2010 beantragten die Kläger die Berücksichtigung von Krankheitskosten in Höhe von 916,-€ als außergewöhnliche Belastungen, die sich jedoch nach Abzug der zumutbaren Eigenbelastung von 1.013 € steuerlich nicht auswirkten. Die Einkommensteuer wurde im Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 12.07.2011 mit ... € festgesetzt.
Gegen diesen Bescheid wurde am 14.08.2011 Einspruch eingelegt. Das Einspruchsschreiben enthält, als Absender den Namen des Klägers und ist im Singular formuliert ("lege ich hiermit Widerspruch ein"). Allerdings heißt es in dem Schreiben wörtlich: "Durch Unterzeichnung dieses Schreibens stimmt meine Ehefrau dem Widerspruch und Antrag zu." Das Schreiben trägt sowohl die Unterschrift des Klägers als auch der Klägerin. Zur Einspruchsbegründung führte der Kläger aus, dass ihm im Streitjahr Rechtsanwaltskosten von insgesamt 4.899,18 € im Zusammenhang mit einer Erbauseinandersetzung und einem weiteren Verfahren wegen Vergütung dieser Rechtsanwaltskosten entstanden seien, deren Berücksichtigung er bei der Steuerfestsetzung beantrage. Diese Kosten setzen sich wie folgt zusammen:
Rechtsanwaltskosten Erbauseinandersetzung: |
|
Vorschuss Rechtsanwalt L. gemäß Rechnung vom ... 2009 |
700,00 € |
Rechtsanwaltsgebühren RA L. (Vergleich vor dem LG K. am ... 2010) |
2.500,00 € |
weitere Zahlungen an RA L. laut Forderungskonto RA L. (Stand ... 2010) |
113,50 € |
Summe: |
3.313,50 € |
Rechtsanwaltskosten im Prozess wegen Rechtsanwaltsvergütung: |
Vergütungsrechung RA Dr. K. vom ... 2010 |
1.585,68 € |
Entsprechende Belege über die geltend gemachten Aufwendungen (Rechnungen, Forderungskonto RA L., Abschrift der Sitzungsniederschrift des Landgerichts K.) legten die Kläger vor (Bl.27-35 der Einkommensteuerakte).
Der Beklagte wies den Einspruch mit der an den Kläger gerichteten Einspruchsentscheidung vom 20.04.2012, die allerdings die Eheleute als Einspruchsführer in den Gründen nennt, zurück. Zur Begründung führte er aus, nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH seien Prozesskosten in der Regel nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar gewesen. Eine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung sei nur ausnahmsweise in Betracht gekommen, wenn der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr gelaufen sei, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Im Streitfall sei angesichts der Erbschaft des Klägers weder ein existentieller Bereich noch ein Kernbereich menschlichen Lebens berührt gewesen. Die Rechtsstreite seien deshalb nicht von existentieller Bedeutung gewesen, so dass ein Abzug der Aufwendungen nach der bisherigen Recht-sprechung des BFH nicht in Betracht komme. Auch das BFH-Urteil vom 12.05.2011 - IV R 42/10 - (BStBl II 2011, 1015) könne zu keinem anderen Ergebnis führen. Unausweichlich und damit zwangsläufig im Sinne von § 33 Abs. 2 EStG seien die Zivilprozesskosten nach diesem Urteil nur dann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Für eine eindeutige, zuverlässige und rechtssichere Einschätzung der Erfolgsaussichten eines Zivilprozesses bzw. der Motive der Verfahrensbeteiligten stünden der Finanzverwaltung indes keine Instrumente zur Verfügung, so dass die Frage nach der hinreichenden Erfolgsaussicht des Prozesses nicht positiv beantwortet werden könne. Soweit dem Finanzamt keine hinreichenden Anknüpfungspunkte bekannt seien, auf die es seine Rechtsmeinung stützen könne, könnten die Erfolgsaussichten nicht beurteilt werden ohne Gefahr zu laufen, zu einem willkürlichen Ergebnis zu gelangen. Damit sei aber die Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht mehr gewährleistet. Deshalb sei laut Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 20.12.2011 das BFH-Urteil über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anzuwenden. Im Übrigen ha...