Revision eingelegt (BFH XI R 33/19)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Entgeltliche Überlassung eines Dorfgemeinschaftshauses für private Feiern und an einen Musikverein als umsatzsteuerfreie Leistung
Leitsatz (amtlich)
Sofern eine Dauer der Benutzung vereinbart und preisbildendes Merkmal ist, kann eine Vermietung und Verpachtung von Grundstücken im Sinne des § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG auch bei einer kurzfristigen Nutzungsüberlassung vorliegen.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 12 S. 1 Buchst. a
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten steht in Streit, ob die entgeltliche Überlassung eines Dorfgemeinschaftshauses für private Feiern nach§ 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei ist.
Die Klägerin, eine rheinland-pfälzische Ortsgemeinde, der gestattet war, die Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten zu berechnen, errichtete in den Streitjahren (2012 bis 2014) ein Dorfgemeinschaftshaus, das im Jahr 2014 fertig gestellt wurde und über einen großen und einen kleinen Saal sowie eine mit Elektrogeräten, Geschirr und Besteck ausgestattete Küche und eine Thekenanlage im großen Saal verfügte.
Der große und der kleine Saal wurden nach der Fertigstellung im Jahr 2014 unentgeltlich an Vereine überlassen und für Gemeinderatssitzungen genutzt sowie - jeweils für einen Tag - an nicht unternehmerisch tätige Privatpersonen für Familienfeiern, Beerdigungen und ähnliche Anlässe vermietet, wobei keine Umsatzsteuer ausgewiesen wurde. Hierfür flossen der Klägerin im Streitjahr 2014 insgesamt 755 € zu. Soweit die Mietverträge die Vereinbarung einer "Reinigungspauschale (inkl. Geschirr- und Besteckkontrolle)" ermöglichten, wurde hiervon in den Streitjahren kein Gebrauch gemacht. Wegen der Einzelheiten wird auf die Mietverträge vom 14. März 2014, 11. April 2014, 16. April 2014, 26. April 2014, 3. Mai 2014, 26. September 2014, 6. August 2014 und 2. Oktober 2014 (Blatt 9 ff. der Einspruchsakte) Bezug genommen. In der Nutzung des Dorfgemeinschaftshauses war die Nutzung des dort vorhandenen Geschirrs und Bestecks inbegriffen.
Ab dem 1. Oktober 2014 vermietete die Klägerin den großen Saal des Dorfgemeinschaftshauses an den Musikverein R e.V. (Musikverein) zur gelegentlichen Nutzung. Die Nutzung durfte einmal wöchentlich in der Zeit von 19 bis 21 Uhr erfolgen. Dem Musikverein war es gestattet, während und nach den Proben Getränke zu verkaufen. Die vorhandene Thekeneinrichtung durfte für diesen Zweck genutzt werden. Der erzielte Überschuss sollte dem Musikverein zustehen. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Mietvertrag vom 21. Juli 2015 (Blatt 9 der Umsatzsteuerakte), in dem die bisherige, mündliche Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien nunmehr schriftlich fixiert werden sollte. Der Musikverein zahlte im Streitjahr 2014 Miete in Höhe von 60 € an die Klägerin.
In ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre gab die Klägerin steuerpflichtige Umsätze zu 19% in Höhe von 10.727 € (2012), 11.040 € (2013) und 11.230 € (2014) sowie Vorsteuerbeträge aus Rechnungen von anderen Unternehmern in Höhe von 18.664,16 € (2012), 29.436,32 € (2013) und 4.829,33 € (2014) an, wobei die Vorsteuerbeträge ausschließlich auf die Errichtung und den Betrieb des Dorfgemeinschaftshauses entfielen.
In ihrem Bericht vom 20. Mai 2016 (Blatt 17 ff. der Umsatzsteuerakte) über eine bei der Klägerin durchgeführte Umsatzsteuer-Sonderprüfung vertraten die Prüfer die Auffassung, das Gebäude werde gemischt genutzt. Ein sachgerechter Aufteilungsmaßstab dürfte regelmäßig im Verhältnis der tatsächlichen Nutzungszeiten zu sehen sei. Maßgeblich seien zunächst die Verhältnisse im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung. Es ergäbe sich ein abzugsfähiger Anteil von 43,46%. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Anlage 2 zum Bericht vom 20. Mai 2016 (Blatt 22 der Umsatzsteuerakte).
Dem schloss sich der Beklagte zunächst an und erließ am 26. Juli 2016 - unter Berufung auf § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) - entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre.
Mit Bescheiden vom 7. November 2016 setzte der Beklagte - wiederum unter Berufung auf § 164 Abs. 2 AO - die Umsatzsteuer auf 1.718,74 € für 2012, auf 2.119,83 € für 2013 und auf 2.189,18 € für 2014 fest, wobei er keine Vorsteuerbeträge aus Rechnungen von anderen Unternehmern in Abzug brachte. In den Anlagen zu den Bescheiden führte der Beklagte aus, bei der Nutzungsüberlassung der Veranstaltungsräume handele es sich um eine zwingend nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG steuerbefreite Grundstücksvermietung ohne Optionsmöglichkeit, was den Abzug der Vorsteuern aus der Errichtung und Unterhaltung des Gemeindehauses ausschließe. Auch die Zurverfügungstellung der Küche sowie des Bestecks und des Geschirrs wiesen keinen prägenden Leistungscharakter auf und seien aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers nebensächlich. Es handele sich hierbei lediglich um Neben...