Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung eines Darlehensverzichts eines Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft bei den Einkünften aus Kapitalvermögen
Leitsatz (amtlich)
Der durch einen Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft erklärte Verzicht auf eine Kapitalforderung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG gegen die Gesellschaft führt zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Abs. 4 EStG, wenn und soweit die Kapitalforderung nicht werthaltig ist.
Normenkette
EStG §§ 17, 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 2, Abs. 4 S. 1
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten steht in Streit, ob und in welcher Höhe Darlehen eines Gesellschafters an eine GmbH sowie eine behauptete Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) darstellen.
Die Kläger, seit Anfang 2013 dauernd getrennt lebende Ehegatten, die im Streitjahr (2013) zusammen veranlagt wurden, waren mit - im Privatvermögen gehaltenen - Anteilen in Höhe von nominal jeweils 67.350 € an der A GmbH - beteiligt, deren Stammkapital 250.000 € betrug und die ihren Gewinn nach einem von dem Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr (1. April bis 31. März) ermittelte.
Der Kläger, der zudem der Geschäftsführer der A GmbH war, gewährte dieser mit Vereinbarung vom 2. Februar 2004 ein unbefristetes Darlehen in Höhe von 290.000 € zu einem Zinssatz von 7,5 % p.a., das im Streitjahr noch mit 175.000 € valutierte. Die Kündigungsfrist betrug 30 Tage; Sicherheiten wurden nicht gestellt. Mit Vertrag vom 20. September 2011 gewährte der Kläger der GmbH ein weiteres unbefristetes und unbesichertes Darlehen in Höhe von 70.000 € zu einem Zinssatz von 6,5 % p.a, das im Streitjahr in dieser Höhe valutierte. Auch hier betrug die Kündigungsfrist 30 Tage. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf das Schreiben der LBH-Steuerberatungsgesellschaft mbH vom 3. August 2015.
Mit Datum vom 31. März 2012 vereinbarten der Kläger und ein weiterer Gesellschafter mit der A GmbH den Verzicht auf einen Betrag von 245.000 € (Kläger) bzw. 100.000 € (anderer Gesellschafter) "des noch in voller Höhe valutierenden Darlehen[s]". Zudem vereinbarten die Parteien:
Der vorstehende Verzicht ist auflösend bedingt und die vorstehende Darlehensforderung, auf die verzichtet wurde, lebt in voller Höhe zu dem Zeitpunkt wiederum auf, in dem im Rahmen der Refinanzierung, Verwertung und Restrukturierung von Forderung an Kunden und Wirtschaftsgütern (insbesondere Vorräte) erzielten Einnahmen die seitens der Gläubiger der Gesellschaft, soweit diese nicht Gesellschafter sind, gewährten Darlehen bzw. Verbindlichkeiten übersteigen. In diesem Fall lebt die Verbindlichkeit in Höhe des jeweils übersteigenden Betrages wieder auf.
Wegen der Einzelheiten wird auf den "Forderungsverzicht mit Besserungsschein" vom 31. März 2012 Bezug genommen.
Am 11. September 2013 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der A GmbH eröffnet. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Beschluss des Amtsgerichts Wiesbaden vom 11. September 2013.
Mit notariellem Vertrag vom 13. Dezember 2013 veräußerten die Kläger - sowie ein weiterer Gesellschafter - ihre Beteiligungen an der A GmbH an die B GmbH für einen Kaufpreis von jeweils 1 € und traten die Gesellschaftsanteile mit sofortiger Wirkung an die B GmbH ab. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Kaufvertrag vom 13. Dezember 2013.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb einen Veräußerungsverlust bei Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften nach § 17 EStG in Höhe von 187.448 € für den Kläger und von 40.448 € für die Klägerin geltend. Dabei legten die Kläger Anschaffungskosten in Höhe von jeweils 67.350 € sowie Veräußerungskosten in Höhe von jeweils 65,16 € zu Grunde. Für den Kläger wurde zudem die verbleibende Darlehensvaluta (245.000 €) als Anschaffungskosten angesetzt. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Anlage zur Einkommensteuererklärung "Ermittlung Veräußerungsverlust".
Mit Bescheid vom 14. November 2014 setzte der Beklagte die Einkommensteuer für das Streitjahr auf 0 € fest, wobei er Veräußerungsverluste nach § 17 EStG in Höhe von jeweils 40.448 € zu Grunde legte. Mit Bescheid vom 19. Februar 2015 wurde der Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr - aus zwischen den Beteiligten nicht streitigen Gründen - geändert.
Mit Einspruchsentscheidung vom 15. Juli 2015 wies der Beklagte den Einspruch der Kläger als unbegründet zurück. Für den Ausfall der Darlehensforderung könne lediglich ein Wert von 0 € als nachträgliche Anschaffungskosten angesetzt werden. Denn im Zeitpunkt der Darlehenshingabe im Februar 2004 habe sich die A GmbH nicht in der Krise befunden. Zusätzlich zu dem noch in voller Höhe vorhandenen Stammkapital sei in der Bilanz zum 31. März 2004 ein Gewinnvortrag in Höhe von 67.627,03 € ausgewiesen. Auch in der Bilanz zum 31. März 2005 sei das inzwischen auf 2...