Entscheidungsstichwort (Thema)
Abzugsfähigkeit von Schuldzinsen als Vorbezugskosten bei langer Bauphase
Leitsatz (amtlich)
Bei ungewöhnlich langer Bauphase fehlt es an einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang der in dieser Zeit angefallenen Schuldzinsen mit der beabsichtigten Selbstnutzung auch dann, wenn der Bauherr die Umstände nicht zu vertreten hat.
Normenkette
EStG § 10e Abs. 6
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Abzugsfähigkeit von Schuldzinsen als Vorbezugskosten gem. § 10 e Abs. 6 EStG.
Die Kläger, zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute, waren in den Streitjahren als Informationselektriker bzw. Verkäuferin nichtselbständig tätig.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 8. April 1986 hatte der Kläger die zu diesem Zeitpunkt in ein Umlegungsverfahren einbezogenen Grundstücke Gemarkung H, N-Straße (später: M-Straße, jetzt: W- Straße), Flurstücksnummern .../5 und .../6 (Freifläche und Gartenland) zu einem Preis von 75.000,00 DM erworben.
In ihren Einkommensteuererklärungen für die Jahre ab 1986 machten die Kläger im Zusammenhang mit diesem Grundbesitz stehende Aufwendungen als vorweggenommene Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung (1986, Nutzungswert der selbst genutzten Wohnung) bzw. als Vorkosten gem. § 10 e Abs. 6 EStG (ab 1987) in folgender Höhe geltend (jeweils auf volle 100,00 DM bzw. Euro gerundet):
14.500,00 DM (1986), 5.600,00 DM (1987), 5.000,00 DM (1988 und 1989), 8.300,00 DM (1990 und 1991), 11.700,00 DM (1992), 10.200,00 DM (1993), 9.500,00 DM (1994), 8.800,00 DM (1995), 10.900,00 DM (1996), 12.500,00 DM (1997), 11.600,00 DM (1998), 10.400,00 DM (1999), 9.900,00 DM (2000), 9.300,00 DM (2001), 4.500,00 € (2002), 4.300,00 € (2003) und 1.900,00 € (2004).
Ab dem Jahr 1988 handelte es sich dabei ausschließlich um Schuldzinsen.
Zum Baufortschritt hatten sie im Laufe der Jahre folgende Angaben gemacht:
In 1994: Die Fertigstellung werde noch ca. 2 Jahre dauern (Bl. 88 ESt-Akten 1992)
In 1997: Das Haus sei fast fertig, nur der Innenausbau verlaufe zögerlich (Bl. 24 ESt-Akten 1996)
In 1998 und im September 1999: Die Fertigstellung werde voraussichtlich in 1999 erfolgen (Bl. 5 ESt-Akten 1997)
In 2000: Die Fertigstellung werde voraussichtlich in 2001 erfolgen (Bl. 3 ESt-Akten 1999)
In 2001: Die Fertigstellung werde voraussichtlich in 2002 stattfinden (Bl. 8 ESt-Akten 2000)
In 2002: Die Fertigstellung werde voraussichtlich in 2003 erfolgen (Bl. 1 ESt-Akten 2001)
Im Oktober 2003: Die Fertigstellung finde voraussichtlich noch in 2003 statt (Bl. 2 ESt-Akten 2002)
In 2004: Die Fertigstellung werde voraussichtlich in 2004 erfolgen (Bl. 8 ESt-Akten 2003)
Im Oktober 2005: Die Fertigstellung erfolge voraussichtlich noch in 2005 (Bl. 12 ESt-Akten 2004).
Nach Auskunft der Baubehörde hatte der Kläger Mitte 1989 einen Bauantrag zur Errichtung eines Einfamilienhauses mit Doppelgarage gestellt. Die entsprechende Baugenehmigung war ihm im Oktober 1989 erteilt worden. Die Bauarbeiten, die lt. den Klägern im Wesentlichen in Eigenleistung erfolgten, hatten im März 1990 begonnen. Im Juni 1995 war der Rohbau erstellt.
Im Oktober 1999 stellte der Ermittlungsbeamte des Finanzamtes bei Besichtigung der Baustelle von Außen fest, dass das Dach des zweistöckigen Gebäudes gedeckt und die Fenster eingebaut waren. Der Rohbau war unverputzt, der Eingangsbereich mit Sperrholzplatten versperrt. Im von Außen einsehbaren Keller standen Zementsäcke. Im Obergeschoss waren sämtliche Rollläden geschlossen (Bl. 29 ESt-Akten 1998).
Bei einer weiteren im Oktober 2001 vorgenommenen Nachschau befand sich das Haus lt. dem Ermittlungsbeamten immer noch im unverputzten Rohbauzustand. Der Estrich fehlte (Bl. 10 ESt-Akten 2000).
Eine dritte Inaugenscheinnahme der Baustelle vom Februar 2004 ergab, dass die Eingangstür des Rohbaus noch immer mit einem Provisorium verschlossen war. Im Wohnbereich, der von der Terrasse eingesehen werden konnte, waren noch Estricharbeiten, Bodenbelagsarbeiten, Maler- bzw. Tapezierarbeiten sowie im Gäste-WC Fliesenarbeiten einschließlich der Sanitärinstallation durchzuführen. Es war lediglich eine Beton-Rohdecke vorhanden. Zimmertüren sowie ein Treppenbelag und das Treppengeländer fehlten (Bl. 14 ESt-Akten 2002).
In den ursprünglichen Einkommensteuerbescheiden für die Streitjahre waren die geltend gemachten Vorbezugskosten – wie in den Jahren zuvor – anerkannt worden. Diese Bescheide ergingen jedoch u.a. in diesem Punkt vorläufig. (Für die Jahre 1995 und 1999, die sich nicht in Streit befinden, hatte das Finanzamt keinen entsprechenden Vorläufigkeitsvermerk gesetzt.) Der Einkommensteuerbescheid für 2000 wurde später in einer hier nicht interessierenden Position geändert (Bl. 32 ff. ESt-Akten 2000).
Auf im Dezember 2005 erfolgte erneute Nachfrage des Finanzamtes nach dem Baufortschritt ließen die Kläger wissen, mittlerweile sei mit dem Erstellen der Bedachung für einen Holzunterstand begonnen worden. Für das Jahr 2006 seien der Aufbau des Holztragewerks, der Einbau der Ha...