Leitsatz
Für bereits angeschaffte Wirtschaftsgüter kann wegen fehlenden Finanzierungszusammenhangs zwischen Rücklage und Investition eine Ansparrücklage nach § 7g EStG nicht gebildet werden, wenn die Rücklage erst nach dem Anschaffungsjahr allein wegen zwischenzeitlicher Änderung des Einkommensteuerbescheids für das Investitionsjahr gebildet wird, um die aufgrund des Änderungsbescheids überschrittene Einkommensgrenze für die Begünstigung nach § 10e EStG erneut zu unterschreiten.
Normenkette
§ 4, § 7g Abs. 3 und Abs. 6 EStG
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten darüber, ob eine nach § 7g Abs. 3 EStG gebildete Ansparrücklage im dritten Jahr nach ihrer Bildung – im Zusammenhang mit der Anfechtung eines ESt-Änderungsbescheids zur Wahrung der Einkommensgrenze für den Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 5a EStG – noch erhöht werden kann.
Die Kläger machten erstmals mit ihrem Einspruch gegen einen ESt-Änderungsbescheid geltend, die bisherige Ansparabschreibung der Klägerin müsse um einen Betrag i.H.v. 4 650 DM (auf 24 650 DM) erhöht werden. Sie fügten eine Liste geplanter Investitionen von Wirtschaftsgütern bei, die die Klägerin in der bisher gebildeten Rücklage noch nicht erfasst, tatsächlich aber bereits im Jahr 2000 beschafft hatte.
Das FA lehnte die Erhöhung der Ansparabschreibung im Streitjahr wegen fehlenden Finanzierungszusammenhangs zur bereits vorher erfolgten Anschaffung der Wirtschaftsgüter ab. Das FG Thüringen wies die Klage mit Urteil vom 10.05.2006, IV 984/02, Haufe-Index 1720998, EFG 2007, 913, als unbegründet ab.
Entscheidung
Der BFH bestätigte das angefochtene Urteil des FG. Das FG habe zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Erweiterung der Ansparabschreibung auf die Anschaffungskosten der erst nachträglich im Einspruchsverfahren bezeichneten Wirtschaftsgüter wegen des fehlenden Finanzierungszusammenhangs verneint.
Hinweis
1. Der Tatbestand des § 7g Abs. 3 EStG stellt auf die künftige Anschaffung ab und verwendet den Begriff der Ansparabschreibung. Sie dient dem Zweck, die Wettbewerbssituation kleiner und mittlerer Betriebe dadurch zu verbessern, dass deren Liquidität und Eigenkapitalbildung unterstützt und deren Investitions- und Innovationskraft gestärkt werden.
2. Die Rücklage bewirkt eine Steuerstundung. Mit den eingesparten Mitteln soll dem Unternehmen die Finanzierung von Investitionen erleichtert werden. Die Rücklage bewirkt somit eine Vorverlagerung des Abschreibungspotenzials. Sie fördert die Innenfinanzierung einer Investition, indem der Kreditbedarf verringert wird.
3. Der durch die Vorverlagerung des Aufwands entstehende Steuerstundungseffekt erhöht die Liquidität und den finanziellen Spielraum eines Steuerpflichtigen, weil während der Steuerstundung die liquiden Mittel produktiv verwendet und zur Tilgung von Verbindlichkeiten eingesetzt werden können (BFH, Urteil vom 14.08.2001, XI R 18/01, BStBl II 2004, 181, BFH/PR 2002, 361).
4. Der mit der Ansparrücklage verfolgte Zweck erfordert in zeitlicher Hinsicht, dass sie die ihr zugedachte Funktion der Finanzierungserleichterung auch tatsächlich noch erfüllen kann. Zwischen der Bildung der Rücklage und der Investition muss deshalb ein "Finanzierungszusammenhang" bestehen (BFH, Urteil vom 29.11.2007, IV R 82/05, BFH/PR 2008, 251).
5. Ein solcher Finanzierungszusammenhang kann im Hinblick auf die – im Streitjahr 1998 noch geltende – Frist von zwei Jahren für die Anschaffung oder Herstellung der begünstigten Wirtschaftsgüter zwar auch dann noch gegeben sein, wenn die Bilanz für das Jahr der Rücklage erst nach der Anschaffung oder Herstellung aufgestellt wird. Auch in diesem Fall muss aber die nach der Anschaffung gebildete Rücklage noch der Investitionserleichterung dienen.
6. In der Rechtsprechung ist für verschiedene Fallgestaltungen der notwendige Finanzierungszusammenhang verneint worden, zum Beispiel wenn die Rücklage erstmals später als zwei Jahre nach Anschaffung der Wirtschaftsgüter geltend gemacht worden ist.
7. Dem stellt der BFH in der Besprechungsentscheidung den Fall gleich, wenn die Entscheidung für die Bildung der Rücklage erstnach der Anschaffung getroffen wird und dafür nach dem Anschaffungszeitpunkt entstandene und nicht investitionsbezogene Gründe maßgeblich sind; denn auch dann beruhen die Investitionen nicht auf dem in § 7g EStG vorausgesetzten Zweck einer Investitionserleichterung.
8.Verfahrensrechtliche Wahlrechte können grundsätzlich bis zur Bestandskraft der jeweiligen Bescheide ausgeübt werden. Indes beruhen die vorgenannten Fallgestaltungen auf den materiell-rechtlichen Voraussetzungen des § 7g EStGund betreffen mithin nicht die Inanspruchnahme derartiger Wahlrechte.
9. Auch für § 7g i.d.F. des UntStRefG 2008 in Form eines ab dem Jahr 2007 in Anspruch zu nehmenden Investitionsabzugsbetrags bedarf es eines Finanzierungszusammenhangs zwischen Investition und Investitionsabzug, vgl. im Einzelnen Kulosa in Schmidt, 27. Aufl., § 7g Rz. 18.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 29.04.2008, VIII R 62/06