Leitsatz
1. Stellen ein Kameramann und ein Tontechniker als Gesellschafter einer Personengesellschaft für Fernsehanstalten mit Originalton unterlegtes Filmmaterial über aktuelle Ereignisse her, sind sie als Bildberichterstatter freiberuflich i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr.1 EStG tätig.
2. Geben sie teilweise Aufträge an andere Kameramänner und Tontechniker weiter, ohne insoweit auf die Gestaltung des Filmmaterials Einfluss zu nehmen, sind sie mangels ausschließlich eigenverantwortlicher Tätigkeit insgesamt gewerblich tätig.
Normenkette
§ 15 Abs. 2 und 3 Nr. 1 EStG , § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG , § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG
Sachverhalt
Ein Kameramann und ein Tontechniker bildeten eine GbR, die für Fernsehanstalten filmisches Rohmaterial einschließlich Tonaufnahmen von aktuellen politischen, sportlichen und kulturellen Ereignissen erstellte. Später erwarb die GbR eine zweite und dritte Kameraausrüstung und engagierte für Aufträge, die die Mitunternehmer nicht selbst erledigen konnten, Kameraleute und Tontechniker auf Honorarbasis.
Das FA sah die Einkünfte der GbR insgesamt als gewerblich an, weil der als Tontechniker tätige Gesellschafter keine freiberufliche Tätigkeit ausgeübt habe. Die Klage wegen Gewerbesteuer hatte Erfolg. Das FG ging davon aus, dass der zweite Gesellschafter als "Tonberichterstatter" eine dem Bildberichterstatter vergleichbare journalistische Tätigkeit ausgeübt habe. Die stichprobenweise Kontrolle der späteren Mitarbeiter habe für eine eigenverantwortliche Tätigkeit ausgereicht.
Entscheidung
Der BFH sah das anders. In dem Streitjahr, in dem die GbR noch keine Mitarbeiter beschäftigt hatte, sah er die Tätigkeit der Gesellschaft als freiberuflich an, weil die Gesellschafter in gemeinsamer Arbeit (Video-)Filme über aktuelle Ereignisse aus Politik, Sport, Kultur u.a. mit Originalton hergestellt hätten, ihre Tätigkeit deshalb insgesamt als die eines Bildberichterstatters i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu beurteilen sei.
Für die Streitjahre, in denen die GbR auch fachlich vorgebildete Arbeitskräfte mit der Erstellung des Bildmaterials beauftragt hatte, nahm der BFH in vollem Umfang eine gewerbliche Tätigkeit der GbR an, weil die Gesellschafter ab diesem Zeitpunkt insoweit nicht mehr eigenverantwortlich tätig waren.
Hinweis
1. Damit eine Personengesellschaft als solche Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit erzielt, ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH Voraussetzung, dass alle Mitunternehmer die persönlichen Voraussetzungen einer freiberuflichen Tätigkeit erfüllen.
Für den im Streitfall als Kameramann tätigen Gesellschafter lagen diese Voraussetzungen zweifelsfrei vor. Denn der BFH hat bereits seit langem anerkannt, dass ein in der aktuellen Berichterstattung für das Fernsehen selbstständig tätiger Kameramann dann eine freiberufliche Tätigkeit als Bildberichterstatter ausübt, wenn das von ihm erstellte Bildmaterial auf der Erfassung des Bildmotivs und seines Nachrichtenwerts auf Grund eigener individueller Beobachtung beruht, wobei eine textliche Bearbeitung der Bildwerke nicht erforderlich ist (BFH, Urteile vom 25.11. 1970, I R 78/69, BStBl II 1971, 267 und vom 17.12.1964, IV 223/63 U, BStBl II 1965, 143). Die Tätigkeit des zweiten Gesellschafters, der als Tontechniker lediglich das Bildmaterial mit Ton unterlegte, gehört als solche aber weder zu den Katalogberufen des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG noch kann sie als derjenigen eines Bildberichterstatters vergleichbar angesehen werden.
Dass der BFH dennoch die Tätigkeit der Gesellschaft als freiberuflich beurteilt hat, macht die Besonderheit und die Bedeutung dieser Entscheidung aus. Zu dieser Wertung kam der BFH, weil er die "Herstellung von mit Ton unterlegtem Bildmaterial zu aktuellen Ereignissen" als einheitlich zu betrachtende Gesamttätigkeit der Gesellschaft angesehen hat. Bild- und Tonaufnahme – so der BFH – seien unselbstständige Teile der Bildberichterstattung. Der Tontechniker habe durch die Unterlegung des Bildmaterials mit dem entsprechenden Originalton den Nachrichtenwert der Bilder erhöht.
2. Die Entscheidung befasst sich außerdem mit dem Problemkreis der Umqualifizierung der freiberuflichen Tätigkeit der Gesellschaft in eine gewerbliche, weil die Gesellschaft später freie Mitarbeiter beschäftigte, die in gleicher Weise wie die Mitunternehmer vertontes Bildmaterial herstellten. Insoweit hat der BFH eine eigenverantwortliche Tätigkeit der beiden Gesellschafter verneint. Dabei betont er, dass die Tatbestandsmerkmale des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG "leitend" und "eigenverantwortlich"selbstständig nebeneinander stehen. Auch eine besonders intensive leitende Tätigkeit kann die eigenverantwortliche Tätigkeit nicht ersetzen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 20.12.2000, XI R 8/00