Rz. 62
Verfügbare und eindeutig vorteilhaftere Handlungsalternativen
Nach § 2 Satz 1 FVerlV, § 6 Abs. 1 Satz 3 FVerlV und § 6 Abs. 4 Satz 2 FVerlV sollen für die Bewertung von Transferpaketen bei Funktionsverlagerungen die jeweiligen Handlungsalternativen sowohl bei der Ermittlung des jeweiligen Barwerts der finanziellen Überschüsse als auch bei der Ermittlung des jeweiligen Grenzpreises berücksichtigt werden. Im Hinblick auf die Berücksichtigung alternativer Handlungsmöglichkeiten führen die VWG-Funktionsverlagerung in Rz. 96 aus, dass für den anzustellenden Fremdvergleich die rechtliche und wirtschaftliche Position der Vertragspartner zu berücksichtigen sei. Bestehen etwa für das übernehmende Unternehmen konkrete, realistische und eindeutig vorteilhaftere Handlungsmöglichkeiten, so wird ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter versuchen, aus diesen bestehenden Handlungsmöglichkeiten einen Verhandlungsvorteil abzuleiten und diesen in die Preisverhandlungen zu seinen Gunsten einzubringen. Demgegenüber wird ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter des übertragenden Unternehmens nicht bereit sein, einen wirtschaftlichen Vorteil ganz oder teilweise unentgeltlich abzugeben, wenn z. B. konkret die Möglichkeit bestünde, einen höheren Preis für die Abgabe der Funktion zu erzielen; er würde vielmehr versuchen, ein optimales Ergebnis für das von ihm vertretene, verlagernde Unternehmen zu erreichen. Diese Aussagen der Finanzverwaltung stellen letztlich zutreffende Konkretisierungen des Fremdvergleichsgrundsatzes dar. Ferner wirkt sich die Berücksichtigung alternativer Handlungsmöglichkeiten nach zutreffender Auffassung der Finanzverwaltung ausschließlich auf die Ermittlung der jeweiligen Grenzpreise aus. So heißt es in Rz. 117 der VWG-Funktionsverlagerung, dass realistischerweise verfügbare und eindeutig vorteilhaftere Handlungsalternativen bei der Bestimmung des Mindestpreises (des verlagernden Unternehmens) berücksichtigt werden müssen, was zutreffend mit deren Einfluss auf diesen Grenzpreis begründet wird.
Rz. 63
Vergleich mit transferpaketbezogener Preisgrenze
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht stehen sich bei Preisbildungsprozessen 2 voneinander unabhängige Entscheidungsträger mit individuellen Zielfunktionen gegenüber, die nur dann zu einem Ergebnis gelangen können, wenn ihre Interessen in angemessener Weise gewahrt werden. Damit gilt für die Herstellung eines Interessenausgleichs als Grundvoraussetzung, dass beide Seiten den Bedingungen eines Transfers nur dann zustimmen können, wenn sich diese – zumindest langfristig – nicht negativ auf das Betriebsergebnis der von ihnen vertretenen Unternehmen auswirken. Um dies beurteilen zu können, ist eine vorherige Festlegung der individuellen Entscheidungssituationen der Geschäftspartner durch Ermittlung der individuellen Preisgrenzen sowie der Handlungsalternativen erforderlich, die sowohl dem Anbieter als auch dem Nachfrager neben dem zu beurteilenden Liefer- bzw. Leistungstransfer offenstehen. Rationales Verhalten unterstellt, würde jeder der unabhängigen Entscheidungsträger seinen Grenzpreis nach der letztlich günstigsten, d. h. vorteilhaftesten, alternativen Handlungsmöglichkeit ermitteln. Dies erfordert, dass die Handlungsalternativen zu identifizieren und zu bewerten sind. Sowohl aus Sicht des verlagernden wie aus Sicht des übernehmenden Unternehmens ist vor diesem Hintergrund die bezogen auf das Transferpaket bestimmte jeweilige Preisgrenze (Mindestpreis des verlagernden Unternehmens bzw. Höchstpreis des übernehmenden Unternehmens) mit der jeweiligen günstigsten alternativen Handlungsmöglichkeit zu vergleichen. Führt dieser Vergleich zu einem Grenzpreis, der das betreffende Unternehmen besserstellt, ist dieser Grenzpreis für die Einigungsbereichsbetrachtung maßgeblich.