Leitsatz
1. Wird die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer GmbH beantragt und ein vorläufiger Insolvenzverwalter unter Anordnung eines allgemeinen Zustimmungsvorbehalts bestellt, verbleibt die Verwaltungs‐ und Verfügungsbefugnis beim gesetzlichen Vertreter der GmbH. Er wird durch den vorläufigen Insolvenzverwalter nicht aus seiner Pflichtenstellung verdrängt und hat weiterhin dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln der GmbH entrichtet werden.
2. Ist für Einfuhrabgaben ein laufender Zahlungsaufschub gewährt worden, sind diese am Fälligkeitstag vorrangig ohne Rücksicht auf das Bestehen etwaiger anderer Zahlungsverpflichtungen zu entrichten. In diesem Fall ist daher auf die Haftung des GmbH-Geschäftsführers für die Einfuhrabgaben der sog. Grundsatz der anteiligen Tilgung nicht anzuwenden.
Normenkette
§ 21 Abs. 2 Nr. 2, § 55 Abs. 4 InsO, Art. 224, Art. 226 Buchst. b ZK, § 34 Abs. 1, § 69, § 191 Abs. 1 Satz 1 AO, § 64 GmbHG, § 21 Abs. 3 UStG
Sachverhalt
Der Kläger war Geschäftsführer einer GmbH. Diese ließ im Februar mehrere Einfuhrsendungen zum freien Verkehr abfertigen. Die insoweit mit verschiedenen Abgabenbescheiden festgesetzte Einfuhrumsatzsteuer war wegen eines der GmbH gewährten laufenden Zahlungsaufschubs am 16. März fällig.
Am 1. März beantragte die GmbH die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Daraufhin bestellte das Amtsgericht am 3. März einen vorläufigen Insolvenzverwalter und ordnete an, dass Verfügungen der GmbH nur mit dessen Zustimmung wirksam seien (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative InsO). Am 1. Juni wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet.
Da die festgesetzte Einfuhrumsatzsteuer am Fälligkeitstag mangels Deckung nicht vom angegebenen Konto abgebucht werden konnte und auch sonst keine Zahlung geleistet wurde, nahm das HZA den Kläger mit Haftungsbescheid in Anspruch.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG urteilte, der Kläger sei gemäß § 191 Abs. 1 Satz 1 AO und § 69 Satz 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 AO zu Recht als Haftender in Anspruch genommen worden, weil er grob fahrlässig seine Pflicht verletzt habe, die finanziellen Mittel der GmbH so zu verwalten, dass die pünktliche Begleichung künftig fällig werdender Steuerschulden möglich gewesen sei. Wegen des gewährten laufenden Zahlungsaufschubs sei der Grundsatz der anteiligen Tilgung nicht anzuwenden (FG Düsseldorf, Urteil vom 22.11.2016, 4 K 1746/16 H, Haufe-Index 10084713).
Entscheidung
Aus den in den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen hat der BFH die Revision des Klägers zurückgewiesen.
Hinweis
1. Der Streitfall wies die Besonderheit auf, dass die tatsächlichen Grundlagen für die Haftungsinanspruchnahme des Klägers als Geschäftsführer einer GmbH für nicht abgeführte Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) nicht zweifelsfrei vom FG geklärt worden waren.
Das FG war anscheinend davon ausgegangen, dass für die Zahlung der im Februar entstandenen EUSt, für die der GmbH Aufschub bis 16. März gewährt worden war, keine ausreichenden Mittel am Fälligkeitstag vorhanden gewesen seien, denn das FG hatte die schuldhafte Pflichtverletzung des Klägers i.S.d. § 69 AO in einer Verletzung der sog. Mittelvorsorgepflicht gesehen. Demgegenüber hatte der Kläger vorgetragen, der Steuerbetrag habe am Fälligkeitstag auf dem Konto bereitgestanden; allerdings sei zu diesem Zeitpunkt ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt gewesen.
Der BFH hat davon abgesehen, die Sache an das FG zurückzuverweisen, um den Grund für die ausgebliebene Steuerzahlung zu klären, da beide in Betracht kommenden Sachverhaltsalternativen zur Haftung des Klägers führten.
Für den Fall, dass es an Mitteln zur Entrichtung der Steuer am Fälligkeitstag gefehlt haben sollte, hat der BFH die Auffassung des FG bestätigt, dass der Kläger seine Pflicht verletzt habe, die Mittel zur Entrichtung der geschuldeten Steuer für den Zeitpunkt der Fälligkeit bereitzuhalten (Mittelvorsorgepflicht), da nicht festgestellt worden sei, dass die GmbH bereits im Februar, als die Einfuhrabgaben entstanden waren, über keine finanziellen Mittel zur Zahlung der EUSt verfügt habe.
Sollte dagegen der geschuldete Steuerbetrag am Fälligkeitstag auf dem Konto vorhanden gewesen sein, wie der Kläger vorgetragen hatte, müsste in der unterbliebenen Zahlung erst recht eine vorsätzliche, jedenfalls aber grob fahrlässige Pflichtverletzung gesehen werden. Der Ansicht des Klägers, er habe die fälligen Steuerschulden nach Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters nicht mehr erfüllen dürfen, ist der BFH nicht gefolgt, sondern hat entschieden, dass der vorläufige Insolvenzverwalter auch im Fall der Anordnung eines allgemeinen Zustimmungsvorbehalts kein Vermögensverwalter i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 AO sei und er den GmbH-Geschäftsführer damit nicht aus seiner Pflichtenstellung verdränge.
Die Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts – so der BFH – sei kein allgemeines Verfügungsverbot, weshalb der Geschäftsführer weiterhin verpflichtet bleibe, die steuerlichen Pf...