Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
1. Kapitaleinkünfte gemäß § 20 Abs. 2 EStG, die nach Anschaffung einer Kapitalanlage durch eine vermögensverwaltende GbR aufgrund einer Anteilsveräußerung durch einen Gesellschafter gemäß § 20 Abs. 2 Satz 3 EStG entstehen, werden nicht gemäß §§ 179 Abs. 1, 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO gemeinschaftlich erzielt.
2. Kapitaleinkünfte, die aufgrund einer Anteilsveräußerung gemäß § 20 Abs. 2 Satz 3 EStG entstehen und keinem abgeltenden Kapitalertragsteuerabzug gemäß § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG unterliegen, sind gemäß § 32d Abs. 3 Satz 1 EStG vom Gesellschafter zu erklären; über das Vorliegen und die Höhe dieser Einkünfte ist abschließend im Rahmen der Veranlagung zu entscheiden.
Normenkette
§ 20 Abs. 2 Satz 3 und Satz 1 Nr. 6, § 32d Abs. 3, § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG, § 179, § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO
Sachverhalt
Die Kläger waren Gesellschafter einer vermögensverwaltenden GbR. Diese schloss als Versicherungsnehmerin Kapitallebensversicherungen ab, die sie steuerschädlich zur Besicherung von Darlehen einsetzte. Im Streitjahr übertrugen die Kläger ihre Anteile an der GbR auf eine zuvor gegründete gewerblich geprägte GmbH & Co. KG (im Folgenden: KG). Der Gesellschafterbestand und die Beteiligungsquoten der KG entsprachen denen der GbR. Zum Gesamthandsvermögen der GbR, das auf die KG überging, gehörten auch die Ansprüche aus den Lebensversicherungen. Im Streitjahr wurden die Versicherungssummen an die KG als Gesamtrechtsnachfolgerin der GbR unter Einbehalt von Kapitalertragsteuer für die rechnungs- und außerrechnungsmäßigen Zinsen ausgezahlt. In der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für das Streitjahr erfasste die GbR keine Gewinne der Gesellschafter aus Anteilsveräußerungen an die KG. Das FA folgte dem nicht und setzte in dem Feststellungsbescheid für das Streitjahr weitere Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 EStG aus der Veräußerung der Versicherungsleistung an. Einspruch und Klage (FG Münster, Urteil vom 6.11.2015, 4 K 1109/14 F, Haufe-Index 8801722, EFG 2016, 30) blieben ohne Erfolg.
Entscheidung
Der BFH hat der Revision der Kläger stattgegeben. Entgegen der Auffassung des FG durften die Kapitalerträge der Kläger aus der Übertragung der Anteile an der GbR und somit aus der Veräußerung der Lebensversicherungen auf die KG nicht gesondert und einheitlich festgestellt werden. Über das Vorliegen und die Höhe von Kapitaleinkünften gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 3 EStG ist auf Ebene der Einkommensteuerbescheide der Kläger zu entscheiden.
Hinweis
1. Der BFH beschäftigt sich in der Entscheidung mit der für die Praxis wichtigen Frage, unter welchen Voraussetzungen bei der Veräußerung von Kapitalanlagen eine gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung zu erfolgen hat. Gibt es hierfür keine rechtliche Grundlage, ist der Feststellungsbescheid in Bezug auf die Feststellung der Kapitaleinkünfte rechtswidrig. Dies hat der BFH im vorliegenden Fall bei der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen einer Personengesellschaft i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 3 EStG bejaht, da weder die Voraussetzungen des § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO noch des § 180 Abs. 2 AO i.V.m. der hierzu ergangenen Rechtsverordnung erfüllt waren.
2. Die wesentlichen Ausführungen hierzu finden sich am Ende des Urteils: Danach liegen die Voraussetzungen für eine gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO nur dann vor, wenn eine gemeinschaftliche Anschaffung und Veräußerung der Kapitalanlage durch die Gesellschaft erfolgt und der Veräußerungsgewinn oder -verlust auf der Ebene der Gesellschaft festzustellen und auf die Gesellschafter zu verteilen ist. Dies war vorliegend nicht der Fall. Denn die Veräußerung der durch die Gesellschaft angeschafften Lebensversicherungen, die gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 Satz 1, Abs. 4 EStG der Besteuerung unterlag, erfolgte nicht durch die GbR, sondern gemäß § 20 Abs. 2 Satz 3 EStG durch die Übertragung der Gesellschaftsanteile der Gesellschafter auf die KG. Dies führt dazu, dass der Veräußerungsgewinn gemäß § 20 Abs. 2 Satz 3 EStG durch die Gesellschafter persönlich erzielt wurde.
Auch der Umstand, dass alle Gesellschafter ihre GbR-Anteile zum selben Zeitpunkt auf die beteiligungsidentische KG übertragen haben, um eine liquidationslose Beendigung der GbR unter Anwachsung des Vermögens auf die KG zu bewirken (sog. Mischfall), führt nicht zu einer Veräußerung der Lebensversicherungsansprüche "durch die GbR".
3. Schließlich lagen auch die Voraussetzungen für eine Feststellung gemäß § 180 Abs. 2 AO i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 der Verordnung in BStBl I 1987, 2 nicht vor. Der Anteil an der vermögensverwaltenden GbR wurde nicht von mehreren Personen, sondern nur vom jeweiligen Gesellschafter gehalten und einzeln übertragen. Die Feststellung des Veräußerungsgewinns auf der Ebene der Gesellschaft war danach rechtswidrig.
4. Bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns des Gesellschafte...