Dr. Birger Brandt, Prof. Jürgen Brandt
Leitsatz
Die Veräußerung des Geschäftswerts nach Erklärung der Betriebsaufgabe und anschließender Betriebsverpachtung im Ganzen führt zu nachträglichen, nicht nach den §§ 16, 34 EStG steuerbegünstigten Einkünften aus Gewerbebetrieb i.S.v. § 24 Nr. 2 i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG.
Normenkette
§§ 16, 34 EStG
Sachverhalt
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin war Vorerbin nach ihrem 1987 verstorbenen Ehemann, der bis zum Jahr 1971 eine Apotheke betrieben, diese sodann aufgegeben und anschließend verpachtet hatte. Die Rechtsvorgängerin setzte die Verpachtung nach dem Tod des Ehemanns fort, bis sie den Betrieb Im Streitjahr 1993 veräußerte. Dabei erzielte sie einen (Netto-)Erlös für den Geschäftswert, den das FA bei Betriebsaufgabeerklärung im Jahr 1971 nicht berücksichtigt hatte. FA und FG erfassten den Erlös als (nicht i.S.v. §§ 16, 34 EStG – begünstigte) Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Entscheidung
Der Geschäftswert des verpachteten Betriebs gehe nicht bereits im Zeitpunkt der Betriebsaufgabeerklärung zusammen mit den übrigen verpachteten Wirtschaftsgütern in das Privatvermögen des Verpächters über, weil seine private Nutzbarkeit generell ausgeschlossen sei. Der im "Pächterbetrieb" neu aufgebaute Geschäftswert trete schrittweise an die Stelle des im Restbetriebsvermögen der Verpächter verbliebenen, sich allmählich verflüchtigenden alten Geschäftswerts und teile steuerrechtlich als "Surrogat" dessen Rechtsnatur als Restbetriebsvermögen des Verpächters.
Eine Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 1 EStG, 1993 komme nicht in Betracht, weil der 1971 aufgegebene Betrieb im Streitjahr nicht nochmals habe aufgegeben oder i.S.v. § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG veräußert werden können. Die Veräußerung eines einzelnen Wirtschaftsguts des Betriebsvermögens sei nur ausnahmsweise dann als Betriebsveräußerung i.S.d. § 16 EStG zu qualifizieren, wenn dieses Wirtschaftsgut – anders als im Streitfall – die einzige wesentliche Betriebsgrundlage des zuvor in eigener Regie des Steuerpflichtigen geführten Betriebs gewesen sei. Die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für den später erzielten Gewinn aus der Veräußerung des Geschäftswerts würde Betriebsveräußerer, die sämtliche wesentlichen stillen Reserven in einem Akt aufdecken und versteuern müssten, ungerechtfertigt benachteiligen.
Hinweis
Nach der Rezensionsentscheidung unterliegt der Einkommensteuer auch der Gewinn, der bei Veräußerung eines verpachteten und aufgegebenen Gewerbebetriebs auf den Geschäftswert entfällt.
1. Der Steuerpflichtige hat im Fall der Betriebsverpachtung im Ganzen die Wahl, entweder die Betriebsaufgabe (vgl. § 16 Abs. 3 EStG) zu erklären oder den Betrieb fortzuführen. Erklärt er die Betriebsaufgabe, gehen die Wirtschaftsgüter seines Betriebsvermögens grundsätzlich in das Privatvermögen über, mit der Folge, dass die in den Buchwertansätzen ruhenden stillen Reserven aufgedeckt und unter Gewährung der Vergünstigungen der §§ 16 Abs. 4 und 34Abs. 1 und 2 Nr. 1 EStG versteuert werden (vgl. BFH-Urteil vom 13.11.1963, GrS 1/63 S, BStBl III 1964, 124).
2. Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des BFH ist ein originärer wie ein derivativer Geschäftswert bei der Ermittlung des Aufgabegewinns nach erklärter Betriebsaufgabe im Rahmen der Verpachtung des Gewerbebetriebs nicht anzusetzen (vgl. BFH, Urteil vom 4.4.1989, X R 49/87, BStBl II 1989, 606). Denn er ist nicht privatisierbar, sondern nur im Rahmen eines gewerblichen Betriebs denkbar (BFH, Urteil vom 27.3.2001, I R 42/00, BFH-PR 2001, 420). Folglich existiert der Geschäftswert auch nach Betriebsaufgabeerklärung durch den Verpächter als dessen Betriebsvermögen (ohne Betrieb) fort, so dass ein nach Beendigung des Pachtverhältnisses vom Verpächter erzielter Gewinn aus der Veräußerung des Geschäftswerts im Veräußerungsjahr als Einkünfte aus Gewerbebetrieb erfasst werden kann (vgl. BFH, Urteil vom 20.8.1997, X R 58/93, BFH/NV 1998, 314).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 30.1.2002, X R 56/99