Dr. Birger Brandt, Prof. Jürgen Brandt
Leitsatz
Ein behindertes Kind, das in einem Heim mit der Möglichkeit der Schulausbildung und der späteren Arbeit in einer Werkstatt für Behinderte untergebracht ist, lebt grundsätzlich weiterhin in der für die Annahme der Haushaltszugehörigkeit erforderlichen Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft mit seinen Eltern.
Normenkette
§ 10e Abs. 1 EStG , § 34 EStG
Sachverhalt
Die Kläger begehrten neben der Grundförderung nach § 10e Abs. 1 EStG für ihr Einfamilienhaus die Steuerermäßigung nach § 34f EStG für ihre 1983 geborene und zu 100 % behinderte Tochter, die in einem Heim für geistig- und körperbehinderte Kinder und Jugendliche untergebracht ist.
Die Tochter hielt sich im Streitjahr sechsmal für jeweils sieben bis vierzehn Tage im Haus der Eltern auf. Dort stand ihr ein eigener Wohnbereich (Kinderzimmer/Bad) zur Verfügung. Das FA lehnte die Begünstigung nach § 34f EStG wegen fehlender Haushaltszugehörigkeit des Kindes ab, das FG bejahte sie.
Entscheidung
Nach Auffassung des BFH besteht im Streitfall eine auf Dauer angelegte Zugehörigkeit des Kindes zum Haushalt der Kläger, weil die Tochter die Familienwohnung ebenfalls nutze, der Steuerpflichtige Verantwortung für das materielle Wohl des Haushaltsangehörigen trage und zwischen den Klägern und der Tochter familiäre Bindungen bestünden, die sich insbesondere in der Fürsorge für den Haushaltsangehörigen zeigten.
Dafür spreche auch, dass die Tochter bis zum Beginn der Schulpflicht im Haushalt ihrer Eltern gelebt und erst mit der Schulpflicht und dem dadurch veränderten Förderungsbedarf und veränderten Förderungsmöglichkeiten in dem Heim untergebracht worden sei. Damit sei eine umfassendere Betreuung des behinderten Kindes angestrebt worden, die mit einer auswärtigen Unterbringung verbunden gewesen sei. Dies entspreche der Situation von Schülern, die sich mit Einwilligung der Eltern zum Zweck der Schulausbildung in einem Internat befänden und gleichwohl weder in einen anderen Haushalt aufgenommen seien noch eine eigene Haushaltsführung begründeten.
Auch Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG gebiete diese Auslegung, damit insbesondere Steuerpflichtige mit behinderten Kindern, die ihre Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft behindertengerecht organisieren müssten, nicht allein aus diesem Grund von staatlichen Leistungen ausgeschlossen würden. Dies entspreche dem Zweck der Wohneigentumsförderung, zur Finanzierung des durch Kinder erhöhten Wohnbedarfs beizutragen und damit die Bildung von Wohneigentum gerade von Familien zu fördern. Aus der auf die speziellen Bedürfnisse ihrer behinderten Tochter abgestellten Gestaltung der Wohnverhältnisse folge zudem, dass die Haushaltszugehörigkeit des Kindes auf Dauer angelegt gewesen sei.
Hinweis
Nach der Rechtsprechung des BFH gehören Studenten zum Haushalt ihrer Eltern auch dann, wenn sie während des Studiums am Studienort untergebracht sind; dies gilt solange, wie sie im Elternhaus über ein Zimmer verfügen, in das sie z.B. an den Wochenenden und in den Semesterferien regelmäßig zurückkehren. Dementsprechend werden dem Haushalt der Eltern auch Kinder zugerechnet, die während des Wehr- oder Ersatzdienstes sowie während der Berufsausbildung auswärtig untergebracht sind.
Diese Grundsätze hat der BFH nunmehr auch auf Kinder angewandt, die wegen ihrer Behinderung in einem Pflegeheim untergebracht sind (a.A. bisher Kleeberg in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 34f Rz. C 8 m.w.N.; Wacker, Eigenheimzulagengesetz, 3. Aufl., § 9 Rz. 155). Voraussetzung ist danach lediglich, dass das Kind im Haus der Eltern über ein Zimmer verfügt und sich dort regelmäßig aufhält.
Der BFH hat ersichtlich eine zeitliche Mindestzahl von Aufenthalten als Voraussetzung für die Haushaltszugehörigkeit nicht festgelegt, so dass bei Vorliegen besonderer Umstände auch die Zahl von – im Streitfall als ausreichend angesehenen – sechs Aufenthalten unterschritten werden dürfte, ohne den Anspruch nach § 34f EStG zu gefährden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 14.11.2001, X R 24/99