rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachweis der Scheinunternehmenseigenschaft bei innergemeinschaftlichen Umsätzen
Leitsatz (redaktionell)
1. Aus der Aberkennung der Identifikationsnummer kann nicht bereits geschlossen werden, daß es sich bei der Firma im Zeitpunkt der Lieferung um ein nicht am Wirtschaftsleben tatsächlich teilnehmendes Unternehmen gehandelt hat.
2. Der Maßstab der Sorgfaltspflichten i.S.d. § 6a Abs. 4 UStG kann nur durch individuelle Besonderheiten der jeweiligen Geschäftsbeziehung, nicht durch einen ganze Branchen ausschließenden Pauschalverdacht gesteigert werden.
Normenkette
UStG § 6a Abs. 3 S. 2, Abs. 1 Nr. 2b, Abs. 4; UStDV §§ 17a, 17c
Streitjahr(e)
1999
Tatbestand
Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Antrag auf Aussetzung- bzw. Aufhebung der Vollziehung gegen die Vorauszahlungsbescheide vom 24.7.2000 für Juni und Juli 1999, mit denen der Antragsgegner (das Finanzamt – FA -) im Anschluß an eine noch nicht abgeschlossene Steuerfahndungsprüfung Nachforderungen von…DM für Juni und…DM für Juli 1999 festgesetzt hat, weil es als steuerfrei erklärte innergemeinschaftliche Lieferungen in Höhe von…DM für Juni 1999 bzw. von…DM als steuerpflichtig angesehen hat. Nach vergeblichem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung, den das FA mit der Begründung abgelehnt hat, beim Empfänger der Lieferungen handele es sich um eine Scheinfirma und zudem seien Voraussetzungen eines Vorsteuerabzugs nicht gegeben, hat die Antragstellerin gerichtliche Aussetzung beantragt und zur Begründung ausgeführt:
Sie habe im Juni und Juli 1999 fünfundzwanzig Lieferungen von Mobiltelefonen über…Mio DM an die englische Firma „A”, erbracht. Der Kontakt zu dieser Firma sei über die Tel.- bzw. Faxnummer…gelaufen. Die Ware sei durch den deutschen Spediteur B in K zum Flughafen X in England verfrachtet worden. Dort sei die Ware vom Empfänger inspiziert und nach Eingang des Kaufpreises auf dem Geschäftskonto der Antragstellerin von dieser freigegeben worden. Vor der ersten Lieferung habe man sich beim Bundesamt für Finanzen, Außenstelle Saarlouis, die Umsatzsteueridentifikationsnummer (ID-Nummer) der Firma „A” bestätigen lassen. Eine nachträgliche Überprüfung der Firma habe ergeben, daß nach einem Gerichtsbeschluß vom 17.4.2000 das Insolvenzverfahren eingeleitet worden sei. Nach einer erneut eingeholten Auskunft des Bundesamtes für Finanzen sei die ID-Nummer vom 4.1.99 bis zum 1.10.99 gültig gewesen. Die Antragstellerin habe sich zudem vom Department of Trade and Industry Sitzadresse, Registernummer und Rechtsform bestätigen lassen. Der Belegnachweis sei geführt worden durch Vorlage des Rechnungsdoppels, der Frachtbriefe und Ausfuhrbescheinigungen. Das FA habe selbst in einem Aktenvermerk vom 6.9.1999 festgehalten, daß trotz dreier USt-Sonderprüfungen und intensiver Bemühungen keine Beweise für Scheingeschäfte erbracht worden seien. Die Buch- und Belegnachweise seien in einwandfreier Form erbracht worden. Soweit das FA rüge, daß in einigen Fällen (laut den in Bezug genommenen Rechnungen Anlage 37 ff aus dem Juli 1999 sind es vier Lieferungen) entgegen der eidesstattlichen Versicherung Lieferungen nach Hongkong ausgeführt wurden, ergebe sich gleichwohl keine Steuerbarkeit, weil in diesen Fällen in England gekaufte Telefone auf Wunsch des Käufers direkt nach Hongkong versandt worden seien. Wegen beschlagnahmter Unterlagen seien die aus der Erinnerung gemachten Angaben nicht im vollen Umfang zutreffend gewesen. Das FA versuche zu Unrecht die Antragstellerin mit allen Mitteln zu diskreditieren und in Zusammenhang mit „Umsatzsteuerkarussellgeschäften” zu bringen.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß
1. die (im Wege der Verrechnung mit Erstattungsansprüchen aus August 2000 erfolgte) Vollziehung des Umsatzsteuervorauszahlungsbescheides Juni 1999 vom 24.7.00 in Höhe von…DM aufzuheben und im übrigen in Höhe von… auszusetzen,
2. die Vollziehung des Umsatzsteuervorauszahlungsbescheides Juli 1999 vom 24.7.00 in Höhe von…DM auszusetzen und
3. die Verwirkung von Säumniszuschlägen aufzuheben.
Das FA beantragt
die Anträge zurückzuweisen.
Nach den Feststellungen der Steuerfahndung und der englischen Steuerbehörden handele es sich bei der Firma „A” zweifelsfrei um eine Scheinfirma. Es handele sich um einen „missing trader”, der zwangsweise aus dem Register gelöscht worden sei. Unter „missing trader” verstehe man in England ein nicht aktives Unternehmen. Aufgrund der seit Jahren in der Branche bekannten betrügerischen Mißbrauchsfälle könne sich die Antragstellerin nicht auf die Gutglaubensvorschrift des § 6a Absatz 4 UStG berufen. Der buchmäßige Nachweis sei nicht erbracht, weil gegen eine Vielzahl von Vorschriften verstoßen worden sei: Rechnungsnummern seien nicht fortlaufend vergeben worden; zwei verschiedene Faxnummern seien verwendet worden. Die Antragstellerin, deren Umwandlung von einer OHG in eine GmbH erst ab 18.12.99 im Handelsregister eingetragen worden war, habe in ihren Rechnungsformularen zuvor unzutreffend firmiert. Schließlich hä...