Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerschuldnerschaft bei Eintritt der Nacherbfolge
Leitsatz (redaktionell)
- Bei Eintritt der Nacherbfolge (durch den Tod des Vorerben) geht das Vermögen nicht jedoch die durch die Vorerbschaft ausgelöste Steuerschuld auf den Nacherben über.
- Bei Eintritt der Nacherbschaft kommt es für die Bestimmung der Steuerklasse des § 15 Abs. 1 ErbStG auf das Verhältnis des Nacherben zum Vorerben an.
- Durch die Regelung des § 20 Abs. 4 ErbStG wird die Stellung des Vorerben als Steuerschuldner nicht eingeschränkt.
Normenkette
ErbStG § 6 Abs. 2, § 20 Abs. 4
Streitjahr(e)
2012
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen des einstweiligen Rechtschutzes streitig, ob die Antragstellerin als Rechtsnachfolgerin der Vorerbin die durch den Vorerbfall ausgelöste Steuerschuld auch dann nach § 20 Abs. 1 des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (ErbStG) schuldet, wenn die Vorerbschaft der zwischenzeitlich verstorbenen Vorerbin wirtschaftlich nicht zugeflossen ist.
Die Antragstellerin ist Alleinerbin der am…Januar 2012 verstorbenen … V (Vorerbin). Diese war alleinige Vorerbin des am…Dezember 2007 verstorbenen Herrn E (Erblasser). Bis zu dem - mit Tod der Vorerbin eingetretenen - Nacherbfall war die Testamentsvollstreckung angeordnet worden. Nachdem der Antragsgegner (das Finanzamt - FA -) den, auf Grundlage der Erbschaftsteuererklärung des Testamentsvollstreckers vom 10. Februar 2010 ergangenen, Erbschaftsteuerbescheid nicht mehr gegenüber der Vorerbin bekannt geben konnte, erließ er am 23. April 2012 gegenüber der Antragstellerin als Rechtsnachfolgerin der Vorerbin einen Steuerbescheid, durch den die Erbschaftsteuer auf …,-- € festgesetzt wurde und der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erging.
Hiergegen legte die Antragstellerin Einspruch ein, über den bislang nicht entschieden worden ist. Den gleichzeitig gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte das FA am 4. Mai 2012 ab. Den gegen die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung gerichteten Einspruch wies das FA mit seiner Entscheidung vom 13. November 2012 als unbegründet zurück. Das FA war der Auffassung, die durch den Erbanfall der Vorerbin ausgelöste Steuerschuld schulde die Antragstellerin als Gesamtsrechtsnachfolgerin der Vorerbin nach § 20 Abs.1 ErbStG i.V.m. § 1922 Abs 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Gemäß § 6 Abs. 1 ErbStG handele es sich bei Vor- und Nacherbfall steuerrechtlich um selbständige, zeitlich getrennte Erbfälle, so dass der Nacherbe die durch den Vorerbfall ausgelöste Steuer nicht schulde. Auch § 20 Abs. 4 ErbStG schränke die Haftung des Vorerben nicht ein, sondern regele lediglich die Befugnis, die Steuerleistung dem Nachlass zu entnehmen bzw. wenn diese aus eigenen Vermögen bestritten werde, den Nacherben zum Ersatz zu verpflichten (§ 2124 Abs. 2 BGB). Die von der Antragstellerin angeführten wirtschaftlichen Gesichtspunkte müssten hierbei außer Betracht bleiben.
Die Antragstellerin hat am 7. Dezember 2012 einen gerichtlichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt. Zur Begründung trägt sie vor, weder der Testamentsvollstrecker noch die Vorerbin hätten die Möglichkeit gehabt, gemäß § 20 Abs. 4 ErbStG die Steuer aus Mitteln der Vorerbschaft zu entrichten, da es das FA versäumt habe, rechtzeitig einen Steuerbescheid zu erlassen. Mangels Abwicklung des Nachlasses und Eintritt des Nacherbfalls hätten der Vorerbin und der Antragstellerin zu keinem Zeitpunkt Mittel aus der Vorerbschaft zur Verfügung gestanden. Daher seien sie weder befugt, noch in Lage gewesen, dem Nachlass den (voraussichtlichen) Steuerbetrag zu entnehmen. Da nunmehr nur noch die Nacherbin in der Lage sei, die durch die Vorerbschaft veranlasste Steuer aus den Mitteln des Nachlasses zu entrichten, sei auch der Erbschaftsteuerbescheid an diese zu richten. Insoweit verkenne das FA auch, dass § 6 Abs. 2 ErbStG den Nacherben hinsichtlich des Vorerbschaftvermögens als Erben des Vorerben behandelt. Darüber hinaus stelle es eine unbillige Härte dar, dass die Antragstellerin die Steuer für ein Erbe schulde, das ihr nie zur Verfügung gestanden habe. Dies gelte umso mehr, als dieser Zustand letztlich auf Versäumnisse des FA zurückzuführen sei.
Die Antragstellerin regt an, einen Termin zur Erörterung des Sach- und Streitstandes anzuberaumen und beantragt sinngemäß,
die Vollziehung des angefochtenen Erbschaftsteuerbescheides in voller Höhe auszusetzen sowie
hilfsweise - im Unterliegensfalle - die Beschwerde zuzulassen
Das FA beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung verweist es auf seine Einspruchsentscheidung im Aussetzungsverfahren.
Im Rahmen des Einspruchsverfahren wurde der Steuerbescheid mehrfach geändert, zuletzt mit Bescheid vom 10. Dezember 2012, durch den die Erbschaftsteuer auf …,-- € festgesetzt wurde. Dieser ist nunmehr Gegenstand des Einspruchsverfahrens (§ 365 Abs. 3 Satz 1 der Abgabenordnung - AO -).
Entscheidungsgründe
1. Der Senat entscheidet ohne Durchführung eines Erörterungstermins im Sin...