rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Einnahmeschätzung bei einer Prostituierten
Leitsatz (redaktionell)
- Die Erfahrungswerte der Steuerfahndung, die diese aufgrund umfangreicher Ermittlungen und einer Vielzahl von Gesprächen mit Prostituierten gewonnen hat, sind geeignete Grundlagen für eine Schätzung der Betriebseinnahmen einer Prostituierten.
- Aus den Kontoauszügen des Girokontos sind regelmäßig keine Rückschlüsse auf die Höhe der Einnahmen einer Prostituierten möglich, da es unüblich ist, Bareinnahmen aus erotischen Dienstleistungen auf ein Girokonto einzuzahlen.
Normenkette
AO § 162 Abs. 2
Streitjahr(e)
1991, 2004
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheide 1991 – 2004.
Die Klägerin war in den Streitjahren als Prostituierte tätig. Zur Ausübung ihrer Tätigkeit stand ihr ein Zimmer im …(Eroscenter) zur Verfügung, das sie seit 2002 auch für private Wohnzwecke nutzt. Die täglichen Mietkosten für das Zimmer betrugen 100,- DM bzw. 50 €.
Nachdem die Klägerin weder Umsätze noch Gewinne aus ihrer Tätigkeit gegenüber dem Finanzamt erklärt und auch keine Aufzeichnungen vorgelegt hatte, schätzte das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen. Bei der Schätzung ging das Finanzamt davon aus, dass die Klägerin Einnahmen in Höhe der üblichen Miete für die Bordellwohnung zuzüglich ihrer eigenen Lebenshaltungskosten erzielt habe. Dabei legte das Finanzamt eine Miete von 50,- € täglich für die Bordellwohnung sowie ca. 1000 € monatlich für allgemeine Lebenshaltungskosten zugrunde und gelangte zu jährlichen Einnahmen aus Prostitution in Höhe von 56.600 DM in 1991 – 1995, 62.600 DM in 1996 – 2001 und 31.300 € in 2002 – 2004. Unter Berücksichtigung einer Zimmermiete von 20.000 DM und Umlagen von 600 DM ermittelte das Finanzamt einen jährlichen Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 36.000 DM in 1991 – 1995, 42.000 DM in 1996 – 2001 und 21.000 € in 2002 – 2004. Gegen die auf dieser Basis erlassenen Einkommenssteuer- und Umsatzsteuerbescheide wandte sich die Klägerin mit dem Einspruch.
Im Rechtsbehelfsverfahren führte die Klägerin im Rahmen eines Gesprächs aus, dass sie nur in geringem Umfang erotische Dienstleistungen zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes erbracht habe. Die Bildung von Vermögenswerten sei ihr nicht möglich gewesen. Sie habe monatlich im Durchschnitt nur 10 – 15 Tage gearbeitet und im Durchschnitt wahrscheinlich 2 Gäste am Tag gehabt. Nur an diesen Arbeitstagen habe sie 50 € täglich für die Bordellwohnung zahlen müssen. An den übrigen Tagen habe sie diese mietfrei nutzen können. Zum Nachweis dafür legte sie eine Bescheinigung des Vermieters der Bordellwohnung ( … ) vor (S. 125 Rbhfs-Akte), der die teilweise unentgeltliche Überlassung der Wohnung bestätigte, ohne die Höhe der Mietzahlungen auch nur vage zu beziffern. Aus den dem Finanzamt vorgelegten unvollständigen Kontoauszügen für den Zeitraum vom 1.2.2002 – 31.1.2006 ergeben sich regelmäßige Zahlungen für eine private Krankenversicherung (ca. 350 €), für ein Sonnenstudio (ca. 40 €) und für eine Lebensversicherung (250 €) sowie ein- bis zweimalige Einzahlungen monatlich zur Abdeckung dieser Ausgaben. Eine Zusammenstellung der Umsätze des Girokontos Nr. … der X-Bank für die Jahre 2002 – 2004 ergibt sich aus Bl. 90 – 99 der Rbhfs-Akte, auf die im Einzelnen verwiesen wird. Wie die Klägerin ihre laufenden Lebenshaltungskosten bestritten hat, geht aus den Kontoauszügen nicht hervor.
Nach nochmaliger Überprüfung der Schätzung im Einspruchsverfahren verminderte das Finanzamt die Umsätze und Gewinne der Klägerin aus Gewerbebetrieb. Dabei legte es 150 Arbeitstage pro Jahr und drei Kunden im Tagesdurchschnitt (100 DM/50 € pro Kunde) zugrunde. Ausgehend von einem jährlichen Bruttoumsatz von 45.600 DM bzw. 22.800 € und einem jährlichen Gewinn aus Gewerbebetrieb von 30.000 DM bzw. 15.000 € erließ es am 12.12.2006 geänderte Umsatz- und Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1991 – 2004. Im Übrigen wies es den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 8.12.2006 zurück. Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Aufhebung der Steuerbescheide.
Die Klägerin trägt vor, sie sei nicht zur Abgabe der Steuererklärungen und zur Führung von Büchern verpflichtet, da ihre Einkünfte im Ergebnis unter 7500 € lägen. Wenn eine grobe und überschlägige Ermittlung zu dem Ergebnis führe, dass sowohl die Grenzen einer Buchführungspflicht deutlich unterschritten seien, als auch die Grenzen, ab denen im jeweiligen Kalenderjahr eine Einkommensteuer einsetze, seien auch keine Aufzeichnungen über die Betriebseinnahmen und –ausgaben zu führen. Aufgrund einer aktuellen Hochrechnung nach den Aufzeichnungen für den Zeitraum August – November 2006 ergäben sich Einnahmen von 16.686 € jährlich, die unter der Grenze von
17.500 € nach § 19 UStG lägen. Entsprechend niedrige Einnahmen ergäben sich aus den Gewinn- und Verlustrechnungen der Folgejahre, die auf regelmäßigen Aufzeichnungen der Klägerin b...