Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerhinterziehung bei Steuererstattungsanspruch durch Anrechnungssteuern
Leitsatz (redaktionell)
- Eine Steuerhinterziehung liegt nicht vor, wenn sich durch Berücksichtigung von Steueranrechnungsbeträgen eine Steuererstattung ergibt.
- Die Nichterklärung von Einkünften aus Kapitalvermögen stellt keine Steuerhinterziehung dar, wenn die Anrechnung der Zinsabschlagssteuern zu einer Steuererstattung führt.
Normenkette
AO § 370
Streitjahr(e)
1993, 1994, 1995, 1996, 1997
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger war Mitglied einer Erbengemeinschaft nach X (seiner Tante). Er reichte am 22.04.2005 für seine am 08.08.2003 verstorbene Tante Einkommensteuererklärungen für 1993 bis 1997 beim beklagten Finanzamt ein.
Mit Bescheid vom 10.06.2005 lehnte das Finanzamt die Durchführung der Einkommensteuerveranlagungen ab, da die Festsetzungsfrist für die Veranlagungen abgelaufen sei. Die steuerlichen Voraussetzungen zur Verlängerung der Festsetzungsfrist bei Steuerhinterziehung seien nicht gegeben. Ein objektiver Tatbestand der Steuerhinterziehung liege nicht vor, da sich durch die Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen keine Steuerverkürzungen ergäben. Ob ein subjektiver Tatbestand der Steuerhinterziehung vorliege, könne im vorliegenden Fall außer Betracht bleiben, da keine Steuerfestsetzung erfolgt sei.
Hiergegen legte der Kläger als damaliger Bevollmächtigter der Erbengemeinschaft Einspruch ein. Er vertrat die Auffassung, dass der Tatbestand einer objektiven und subjektiven Steuerhinterziehung gegeben sei. Die verlängerte Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO fände daher Anwendung. Zwar habe sich seine Tante wohl keine Gedanken darüber gemacht, ob und in welcher Höhe die Zinsabschlagssteuer und der Solidaritätszuschlag als Anrechnungsbeträge die jeweilige Steuerschuld überstiegen und deswegen die Abgabe von Einkommensteuererklärungen entbehrlich sei. Es dürfte aber bedingter Vorsatz einer Steuerhinterziehung vorliegen; es sei von der Erblasserin in Kauf genommen worden, dass Steuern verkürzt würden.
Im Verlauf des weiteren Einspruchsverfahrens wies das Finanzamt darauf hin, dass bisher keine Vollmacht von der Erbengemeinschaft für den Kläger vorgelegt worden sei. Der Bevollmächtigte vertrat demgegenüber die Rechtsansicht, dass eine Vorlage einer Vollmacht nicht erforderlich sei. Die übrigen Mitglieder der Erbengemeinschaft hätten auf eine Erstattung gemäß § 37 Abs. 2 AO verzichtet. Deren Ansprüche seien daher erloschen. Die übrigen Miterben seien daher nicht mehr Träger steuerlicher Rechte und Pflichten. Dies sei allein er, Y. Dem Schriftsatz beigefügt waren Erklärungen mit der übrigen Miterben A, B, C und D, dass sie auf ihren anteiligen Erstattungsanspruch aus den Einkommensteuerfestsetzungen für die Jahre 1993 bis 1997 verzichteten.
Mit Einspruchsentscheidung vom 03.01.2006 hat das Finanzamt die Einsprüche als unzulässig mit der Begründung verworfen, dass trotz Aufforderung durch das Finanzamt keine Vollmacht vorgelegt worden sei.
Hiergegen hat die „Erbengemeinschaft nach X” vertreten durch den Miterben Y, Klage zum Hessischen Finanzgericht erhoben.
Der Kläger hat sodann in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt, dass er in eigenem Namen nach der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft Klage erheben wollte. Die Formulierung im Klageschriftsatz sei daher missverständlich.
In der Sache vertritt er – wie bereits im außergerichtlichen Verfahren – die Auffassung, dass eine Steuerhinterziehung seiner verstorbenen Tante vorgelegen habe. Abzustellen sei auf die unterbliebene Festsetzung der Steuer. Dass sich bei Berücksichtigung von Anrechnungsbeträgen Steuererstattungen ergeben, sei für eine Steuerhinterziehung unbeachtlich
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verpflichten, Veranlagungen der Einkommensteuer 1993 bis 1997 vorzunehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das beklagte Finanzamt hält die Klage zum einen wegen fehlender Vollmachtvorlage der Miterben für unzulässig. Zum anderen vertritt es die Rechtsauffassung, dass eine Veranlagung wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist nicht möglich sei. Eine verlängerte Festsetzungsfrist aufgrund einer Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung scheide aus, da die Steueranrechnungsbeträge den Einkommensteuermehrbetrag aus den entsprechenden Kapitalerträgen überstiegen. Es fehle an dem objektiven, zumindest jedoch an dem subjektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung, da kein Taterfolg durch eine zu niedrig festgesetzt Einkommensteuer eingetreten sei, beziehungsweise der Nachweis des subjektiven Tatbestandes nicht möglich sei.
Wegen Einzelheiten des jeweiligen Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage kann keinen Erfolg haben. Sie ist zulässig, aber unbegründet.
Die Klage ist zulässig.
Das Vorbringen des Bevollmächtigten zur Person des Klägers/der Kläger is...