Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Irrtums über die Notwendigkeit eines Antrages und versäumen der Antragsfrist
Leitsatz (redaktionell)
- Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 Abs. 1 S. 1 AO kommt nicht aufgrund eines Irrtums der Kläger über den Lauf der gesetzlichen Antragsfrist des § 32d Abs. 2 Nr. 3 S. 4 EStG in Betracht.
- Ein Irrtum über die Notwendigkeit von Eintragungen in den Zeilen 24 und 25 der Anlage KAP führt nicht zu einer Wiedereinsetzung nach § 110 Abs. 1 S. 1 AO, da sich die Kläger insoweit in einem Irrtum über die materiell rechtliche Rechtslage befindet, worauf eine Wiedereinsetzung nicht gestützt werden kann.
- Der Irrtum der Kläger über die Erforderlichkeit eines Antrags aufgrund der missverständlichen Gestaltung des Vordrucks schließt das Verschulden der Kläger nicht aus, da die Zweifel durch Einholung einer qualifizierten Beratung oder zumindest einer kurzen Anfrage beim Finanzamts hätte beseitigt werden können.
Normenkette
EStG § 32d Abs. 2 Nr. 3 S. 4; AO § 110
Streitjahr(e)
2010
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen einer versäumten Frist für die Option zur Besteuerung von Gewinnausschüttungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG nach den Regelungen des Teileinkünfteverfahrens i.S.d. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG, die der Kläger im Streitjahr aus seiner bereits seit längerem bestehenden 40%-igen Beteiligung an der A-GmbH erzielte. Gemäß der von der A-GmbH erstellten Steuerbescheinigung floss dem Kläger am 30.11.2010 eine Gewinnausschüttung i.H.v. 18.000,- Euro zu, die die A-GmbH dem Kapitalertragsteuerabzug unterworfen hatte. Die vom Beklagten (dem Finanzamt, im Folgenden: ,FA') zur Einkommensteuer zusammen veranlagten Kläger gaben bei diesem daraufhin ohne Inanspruchnahme einer steuerlichen Beratung und unter Verwendung der von ihnen handschriftlich ausgefüllten amtlichen Erklärungsvordrucke am 07.04.2011 eine Einkommensteuererklärung nebst Erklärung zur Festsetzung der Kirchensteuer auf Kapitalerträge für den Veranlagungszeitraum 2010 ab, die eine für den Kläger ausgefüllte Anlage KAP enthielt. Hierauf wird Bezug genommen. Wegen des Inhalts der von der Finanzverwaltung für 2010 mit den amtlichen Vordrucken zur Verfügung gestellten „Anleitung zur Anlage KAP” wird auf die zu den Akten genommene Kopie dieser Anleitung. Im amtlichen Erklärungsvordruck der Anlage KAP zur Einkommensteuererklärung für 2010 befand sich zwischen den Zeilen 24 und 25 der kursiv gedruckte und in Spiegelstriche eingefasste Hinweis „bitte Anleitung beachten”.
Die Gewinnausschüttung der A-GmbH berücksichtigten die Kläger in Zeile 7 der für den Kläger ausgefüllten Anlage KAP („Kapitalerträge, die dem Steuerabzug unterlegen haben”, hier „Kapitalerträge laut Steuerbescheinigungen”, Bl. 9 der Einkommensteuerakte), in dem sie dort einen Betrag von 20.457,- Euro eintrugen, der sich aus der Nettodividende der A-GmbH zuzüglich weiterer Kapitalerträge des Klägers gemäß Bankbescheinigungen zusammensetzte. In den Zeilen 22 bis 25 der Anlage KAP des Klägers („Kapitalerträge, die der tariflichen Einkommensteuer unterliegen” mit dem Zusatz „nicht in den Zeilen 7, 15, 32 und 39 enthalten”, hier insbesondere in Zeile 25 „Laufende Einkünfte aus einer unternehmerischen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft” und Zeile 26 „Ich beantrage für die Einkünfte laut Zeile 25 die Anwendung der tariflichen Einkommensteuer”) machten die Kläger dagegen keinerlei Angaben und stellten auch keine Anträge. Auch die Zeilen 55 bis 57 („Anzurechnende Steuern zu Erträgen in den Zeilen 22 bis 25, 47 und 48 und aus anderen Einkunftsarten”) ließen sie leer. In Zeile 4 der Anlage KAP des Klägers hatten sie allerdings beantragt, die „Günstigerprüfung für sämtliche Kapitalerträge” durchzuführen.
Aufgrund der eingereichten Steuererklärung setzte das FA gegenüber den Klägern mit Bescheid vom 21.04.2011 ohne Vorbehalt der Nachprüfung die Einkommensteuer für 2010 auf 1.245,- Euro, wobei es im Erläuterungsteil des Bescheides angab, dass die Kapitalerträge des Klägers mit 20.457,- Euro (d.h. ohne Anwendung der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG) angesetzt und hiervon lediglich der Sparer-Pauschbetrag von 801,- Euro abgezogen worden sei. Unter Berücksichtigung der übrigen (zwischen den Beteiligten nicht streitigen) Einkünfte und Abzugsbeträge der Kläger errechnete das FA hieraus ein zu versteuerndes Einkommen von 23.300,- Euro, auf den es – als Ergebnis der Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG – insgesamt den Splittingtarif nach § 32a Abs. 5 EStG anwandte.
Hiergegen legten die Kläger am 24.05.2011 durch ihren hierzu bevollmächtigten Steuerberater Einspruch ein, den sie mit Schreiben vom 27.05.2011 (beim FA eingegangen am 30.05.2011) mit der Erwägung begründeten, dass es der Kläger versehentlich unterlassen habe, die Gewinnausschüttung der A-GmbH in den Zeilen 25 und 26 der Anlage K...