Leitsatz

Die von Physiotherapeuten (Krankengymnasten) mit entsprechender Zusatzausbildung auf ärztliche Verordnung durchgeführte Hippotherapie ist eine von der USt befreite Heilbehandlung nach § 4 Nr. 14 UStG.

 

Normenkette

§ 4 Nr. 14 UStG 1993/1999, Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Die Klägerin betreibt ein Zentrum für therapeutisches Reiten (Hippotherapie). Sie ist von Beruf Diplom-Pädagogin. Die therapeutische Behandlung wird von angestellten Krankengymnastinnen mit hippotherapeutischer Zusatzausbildung durchgeführt.

Die Klägerin machte geltend, ihre auf das ärztlich verordnete therapeutische Reiten entfallenden Umsätze seien nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei. Das FA gewährte keine Steuerbefreiung.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das FG verneinte eine Heilbehandlung und wies zur Begründung auf die fehlende Kostenerstattung durch die gesetzlichen Krankenkassen  hin (Hessisches FG, Urteil vom 27.02.2006, 6 K 4203/03, Haufe-Index 1527178, EFG 2006, 1621).

 

Entscheidung

Die Revision der Klägerin war begründet und führte wegen des Umfangs der steuerbefreiten Leistungen zur Zurückverweisung an das FG. Die Hippotherapie sei eine Heilbehandlung, soweit sie ärztlich verordnet sei. Auf die Kostenerstattung durch die gesetzlichen Krankenkassen komme es nicht an, weil die Behandlung von den Angehörigen eines Katalogberufs ausgeübt worden sei und somit die berufliche Qualifikation feststehe.

 

Hinweis

1. Nach § 4 Nr. 14 UStG sind steuerfrei u.a. die Umsätze aus der Tätigkeit als Physiotherapeut (Krankengymnast). Nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-RL sind die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin im Rahmen ärztlicher oder arztähnlicher Berufe steuerbefreit.

Bei richtlinienkonformer Auslegung des § 4 Nr. 14 UStG muss für die Steuerbefreiung erstens eine "Heilbehandlung" vorliegen und zweitens muss der Unternehmer oder die für diesen handelnde Person über die erforderliche berufliche Qualifikation (Arzt oder arztähnlicher Beruf)  verfügen.

2. Um als Heilbehandlung eingestuft zu werden, muss die Leistung der medizinischen Behandlung einer Krankheit oder einer anderen Gesundheitsstörung dienen. Schönheitsoperationen oder Massagen zur Verbesserung des Wohlbefindens sind keine Heilbehandlung.

Die Hippotherapie (therapeutisches Reiten) ist eine physiotherapeutische Behandlungsmethode zur Therapie von bewegungsgestörten Kindern (z.B. bei infantiler Cerebralparese) oder Erwachsenen (nach Unfall oder Schlaganfall, bei multipler Sklerose). Es handelt sich um Krankengymnastik auf dem Pferd unter Anleitung eines Krankengymnasten mit einer Zusatzausbildung für das therapeutische Reiten. Zur Abgrenzung vom bloßen Behindertensportist für die Annahme, es handle sich um die Behandlung einer Krankheit, also eine "Heilbehandlung", zu verlangen, dass eine ärztliche Verordnung vorliegt.

3. Für das Vorliegen einer "Heilbehandlung" ist nicht entscheidend, ob ihre Kosten von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden (EuGH, Urteil vom 06.11.2003, Rs. C-45/01, Christoph-Dornier-Stiftung, BFH/PR 2004, 69).

Dieser Gesichtspunkt spielt aber für die Beurteilung der beruflichen Qualifikation (Befähigungsnachweis) eine Rolle. Nach der Rechtsprechung des V. Senats des BFH ist von der erforderlichen beruflichen Befähigung für einen arztähnlichen Berufgrundsätzlich dann auszugehen, wenn die Leistungen des Unternehmers von den Sozialversicherungsträgern finanziert werden (Urteil vom 25.11.2004, V R 44/02, BFH/PR 2005, 183).

4. Die erforderliche berufliche Qualifikation ist ohne Weiteres für diejenigen Berufe gegeben, die in § 4 Nr. 14 UStG ausdrücklich aufgeführt sind (Katalogberufe). Im Besprechungsfall wurde die Hippotherapie von angestellten Krankengymnastinnen mit hippotherapeutischer Zusatzausbildung, also von Angehörigen eines Katalogberufs, durchgeführt.

Unerheblich ist, ob der Unternehmer selbst über die berufliche Qualifikation verfügt. Denn der Grundsatz der steuerlichen Neutralität verbietet es, dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze bewirken, bei der Mehrwertsteuererhebung unterschiedlich behandelt werden. Deshalb ist entscheidend, dass unabhängig von der Rechtsform des Leistenden die Personen, die die Heilbehandlung durchführen, die erforderliche berufliche Qualifikation haben (vgl. BFH, Urteil vom 26.09.2007, V R 54/05, BFH/PR 2008, 69).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 30.01.2008, XI R 53/06

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