Leitsatz
Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die auf der Änderung der Bemessungsgrundlage beruhende Berichtigung des USt-Betrags und korrespondierend des Vorsteuerabzugs nach § 17 Abs. 1 UStG zu einer Änderung der ursprünglichen Steuerfestsetzung in dem Sinn führt, dass ein abgetretener Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO zurückgefordert werden kann (vgl. BFH, Urteil vom 9.4.2002, VII R 108/00, BStBl II 2002, 562).
Normenkette
§ 37 Abs. 2, § 124 Abs. 2, § 218 Abs. 2 AO, § 17 Abs. 1 UStG, § 178 Abs. 3 InsO
Sachverhalt
A schloss mit der T 1998 einen Mietkaufvertrag über Baukräne. T machte die Vorsteuerbeträge 1.800.000 € geltend und trat den Vorsteuerüberschuss an A (Zessionar) ab. 1999 kündigte die A den Mietkaufvertrag. Bevor das FA die Vorsteuerberichtigung (500.000 €) festgesetzt hatte, wurde im September 1999 über das Vermögen der T das Insolvenzverfahren eröffnet.
Die vom FA angemeldeten offenen USt-Forderungen (erheblich mehr als 500.000 €) wurden zur Tabelle festgestellt. 2003 forderte das FA von der A den der Berichtigung entsprechenden Betrag (500.000 €) zurück. Dagegen wehrt sich die A mit der Klage und beantragte die Aussetzung der Vollziehung des Rückforderungsbescheids.
Entscheidung
Die – vom FG zugelassene – Beschwerde hatte Erfolg.
Hinweis
1. Wird eine Lieferung rückgängig gemacht, sind USt-Betrag und Vorsteuerabzug zu berichtigen – in dem Besteuerungszeitraum, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist (§ 17 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 1 Sätze 1 und 3 UStG). § 17 UStG regelt einen eigenständigen materiell-rechtlichen Berichtigungstatbestand gegenüber den Änderungsvorschriften der AO. Liegen die Voraussetzungen für eine Berichtigung i.S.v. § 17 UStG vor (z.B. durch Uneinbringlichkeit des Entgelts), so führt dies nicht zu einer rückwirkenden Änderung der ursprünglichen Steuerfestsetzung für den entsprechenden Umsatz; dieser Sachverhalt ist vielmehr (als unselbstständige Besteuerungsgrundlage nach § 157 Abs. 2 AO) in der Umsatzsteuerfestsetzung für den maßgeblichen Besteuerungszeitraum (§ 17 Abs. 1 UStG) zu berücksichtigen.
2. War der Vorsteuerüberschuss abgetreten und wird der Unternehmer, gegenüber dem die Vorsteuer zu berichtigen ist, insolvent, nimmt das FA unter Berufung auf § 218 Abs. 2 AO den Zessionar in Anspruch. Der VII. Senat des BFH hatte im Urteil vom 9.4.2002, VII R 108/00, BFH-PR 2002, 390 die Auffassung bestätigt, mit der Berichtigung der Bemessungsgrundlage entfalle zugleich der Rechtsgrund für die Erstattung der entsprechenden Vorsteuer im Zeitpunkt der "ursprünglichen" Umsatzsteuerfestsetzung. Das ist aus den unter 1. genannten Gründen zweifelhaft.
3. Zweifelhaft ist aus den unter 1. genannten Gründen auch die vom VII. Senat bisher vertretene Auffassung, dass bei einer Berichtigung nach § 17 UStG der "ursprüngliche" Bescheid und der USt-Bescheid, in dem die Berichtigung erfolgt, in einem vergleichbaren Zusammenhang stehen wie Vorauszahlungsbescheid und Jahressteuerbescheid.
4. Zur Frage, ob
- die Eintragung in die Tabelle nach § 178 Abs. 3 InsO eine (rückwirkende) Änderung einer Steuerfestsetzung bewirken könnte und
- gegenüber Dritten – hier Zessionar – Wirkung erlangt,
hat der BFH bislang noch nicht entschieden. Nach § 178 Abs. 3 InsO wirkt die festgestellte Forderung "ihrem Betrag und ihrem Rang nach wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern"; zwar ist auch das FA ein Insolvenzgläubiger, dem gegenüber die Eintragung diese Wirkung entfaltet. § 178 Abs. 3 InsO beschränkt die Wirkung aber auf den Betrag und den Rang und trifft keine Aussage darüber, ob die Eintragung – wie eine Steuerfestsetzung – auch gegenüber am Insolvenzverfahren nicht Beteiligten wirken kann. Dabei ist zu beachten, dass der Zessionar und der Zedent hinsichtlich des Rückzahlungsanspruchs des FA nach § 37 Abs. 2 Satz 3 AO i.V.m. § 44 Abs. 1 AO Gesamtschuldner sind, der Zessionar aber am Insolvenzverfahren nicht beteiligt ist. Zweifelhaft ist deshalb, ob ihm gegenüber Rechtswirkungen aus der Eintragung in die Tabelle abgeleitet werden können.
Halten Sie entsprechende Fälle offen. Seit 2004 haftet der leistende Unternehmer per Gesetz (§ 13d UStG), wenn der Leistungsempfänger die Vorsteuer nicht zurückzahlen kann.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 13.7.2006, V B 70/06