Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Kommentar
Das BMF-Schreiben ändert Abschn. 1b.1 UStAE.
Der Erwerb neuer Fahrzeuge führt auch für Nichtunternehmer im europäischen Binnenmarkt zu einem innergemeinschaftlichen Erwerb. Darüber hinaus müssen sog. besondere Unternehmer nach § 1a Abs. 3 UStG unabhängig von der Erwerbsschwelle den Einkauf eines solchen neuen Fahrzeugs immer der Besteuerung eines innergemeinschaftlichen Erwerbs unterwerfen.
Zu den besonderen Unternehmern gehören auch Land- und Forstwirte, soweit sie die Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG anwenden.
Die Finanzverwaltung war bisher davon ausgegangen, dass landwirtschaftliche Zugmaschinen nicht zu den Landfahrzeugen nach § 1b UStG gehören. Jetzt geht sie davon aus, dass die landwirtschaftlichen Zugmaschinen zu den Fahrzeugen i. S. d. § 1b UStG gehören, sodass diese – soweit sie als "neu" i. S. d. Regelung anzusehen sind – in jedem Fall zu einem innergemeinschaftlichen Erwerb des Käufers führen. Korrespondierend dazu würde ein Verkäufer, der nicht als Unternehmer tätig ist, für den Verkauf eines solchen Gegenstands als Unternehmer behandelt werden.
Ein Landfahrzeug gilt dann als neu, wenn seit der erstmaligen Inbetriebnahme nicht mehr als 6 Monate vergangen sind oder das Fahrzeug nicht mehr als 6.000 km zurückgelegt hat.
Konsequenzen für die Praxis
Die Frage, ob landwirtschaftliche Zugmaschinen als neue Fahrzeuge im Gemeinschaftsrecht anzusehen sind, wird weniger für die Besteuerung bei nichtunternehmerischen Erwerbern eine Bedeutung haben, da Verkäufer und Käufer solcher Zugmaschinen regelmäßig Unternehmer sein dürften. Bedeutung wird die Regelung aber für die Anwendung der Ausnahmeregelung für innergemeinschaftliche Erwerbe nach § 1a Abs. 3 UStG haben. Selbst wenn ein Landwirt die Durchschnittssatzbesteuerung anwendet und auch zu Beginn eines Kalenderjahrs nicht plant, die maßgebliche Erwerbsschwelle zu überschreiten, muss er den Erwerb einer landwirtschaftlichen Zugmaschine, die er "neu" aus einem anderen Mitgliedstaat erwirbt, in jedem Fall der Besteuerung eines innergemeinschaftlichen Erwerbs unterwerfen.
Landwirt L, der die Durchschnittssatzbesteuerung für landwirtschaftliche Erzeuger nach § 24 UStG anwendet, kann überraschend von einem ihm bekannten, in den Niederlanden ansässigen Landwirt einen Fendt 209 Vario für günstige 60.000 EUR erwerben. Die Zugmaschine ist bei Lieferung im Oktober 2016 erst 5 Monate alt. L hat bisher in anderen Mitgliedstaaten noch keine Einkäufe getätigt und plante zu Beginn des Jahres 2016 auch keine Einkäufe in anderen Mitgliedstaaten.
L ist Unternehmer, der den Gegenstand für sein Unternehmen bezieht. Grundsätzlich liegen die Voraussetzungen des innergemeinschaftlichen Erwerbs nach § 1a Abs. 1 UStG vor. Allerdings müsste L wegen der Ausnahmeregelung des § 1a Abs. 3 UStG keinen innergemeinschaftlichen Erwerb der Besteuerung unterwerfen, da er die Durchschnittssatzbesteuerung anwendet. Auch die Erwerbsschwelle von 12.500 EUR ist nicht überschritten, da er im vorangegangenen Jahr diese Grenze nicht überschritten hatte und zu Beginn des Kalenderjahrs 2016 auch nicht plante, die Grenze zu überschreiten. Dass er mit dem Erwerb der Zugmaschine die Grenze von 12.500 EUR überschreitet, ist für die Beurteilung unerheblich. Da es sich aber bei der Zugmaschine um ein neues Fahrzeug i. S. d. § 1b UStG handelt, kommt die Ausnahmeregelung des § 1a Abs. 3 UStG nicht zur Anwendung. L muss einen innergemeinschaftlichen Erwerb der Besteuerung unterwerfen, der in Deutschland steuerbar und auch nicht steuerbefreit ist. Es entsteht eine Umsatzsteuer für den Erwerb i. H. v. (60.000 EUR × 19 % =) 11.400 EUR. Da L die Durchschnittssatzbesteuerung anwendet, kann ein individueller Vorsteuerabzug aus dem Erwerb nicht in Frage kommen. L muss 11.400 EUR an sein Finanzamt abführen.
Die Grundsätze sind in allen offenen Fällen anzuwenden.
Link zur Verwaltungsanweisung
BMF, Schreiben v. 4.10.2016, III C 3 – S 7103-b/16/10001, BStBl 2016 I S. 1074.