Rz. 515
Die Rechte der Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung werden durch Beschlussfassung ausgeübt. Das Stimmrecht ist das Recht, an Beschlüssen der Gesellschafterversammlung durch Stimmabgabe mitzuwirken. Es unterliegt einer mitgliedschaftlichen Treuepflicht sowohl gegenüber der Gesellschaft als auch gegenüber den anderen Gesellschaftern. Treuwidrige Stimmrechtsausübungen sind nichtig und unbeachtlich, sodass der Versammlungsleiter sie bei der Beschlussfeststellung außer Betracht lassen kann und muss. Ob eine Treuwidrigkeit vorliegt oder nicht, ist naturgemäß oft umstritten. Die Möglichkeit des Versammlungsleiters, diese Frage zu entscheiden und das Beschlussergebnis entsprechend festzustellen, gibt ihm eine starke Position. Er hat es in der Hand, die (aus seiner Sicht) treuwidrig abgegebenen Stimmen nicht zu berücksichtigen und das Beschlussergebnis entsprechend festzustellen. Ein Gesellschafter, der die Einschätzung des Versammlungsleiters für falsch hält, muss den festgestellten Beschluss aktiv angreifen. Beruht ein Beschluss auf einer treuwidrigen Stimmabgabe, ist der betreffende Beschluss anfechtbar.
Rz. 516
Das Stimmrecht beginnt mit Erwerb der Gesellschafterstellung und ist unabhängig von der Höhe der geleisteten Einlage. Die Satzung kann jedoch bestimmen, dass das Stimmrecht in Abhängigkeit von der Einlagenleistung bestimmt wird.
Rz. 517
Die Stimmabgabe ist eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung. Es gelten die allgemeinen Regelungen über Zugang, Anfechtung und Nichtigkeit von Willenserklärungen, soweit diese nicht durch spezielle Anfechtungs- und Nichtigkeitsregeln verdrängt werden. Die Stimmabgabe wird mit ihrem Zugang beim Leiter der Gesellschafterversammlung wirksam (§ 130 Abs. 1 BGB).
Rz. 518
Das Stimmrecht wird – sofern in der Satzung nichts anderes geregelt ist – nach Nennbeträgen der Geschäftsanteile ausgeübt; dabei gewährt gem. § 47 Abs. 2 GmbHG jeder Euro eines Geschäftsanteils eine Stimme. Jeder Gesellschafter darf für einen Geschäftsanteil nur einheitlich abstimmen. Hält ein Gesellschafter mehrere Geschäftsanteile, kann er das Stimmrecht unterschiedlich ausüben. Er kann also teils mit "Ja", teils mit "Nein" stimmen, ohne dies begründen zu müssen. Anlass für unterschiedliche Abstimmung können beispielsweise Stimmbindungen, Treuhandverpflichtungen oder Nießbrauchrechte sein, sofern diese nur einen von mehreren Geschäftsanteilen betreffen.
Rz. 519
Der Gesellschaftsvertrag kann das Stimmrecht uneingeschränkt frei regeln, und zwar sowohl für bestimmte Beschlüsse als auch generell (einschließlich Satzungsänderungen). Damit unterscheidet sich die GmbH sehr grundlegend von der Aktiengesellschaft. Zulässig sind beispielsweise folgende Regelungen:
- Stimmrecht in Abhängigkeit von der Leistung der Einlage;
- Stimmrecht nach Köpfen;
- Höchststimmrechte, es kann beispielsweise festgelegt werden, dass keinem Gesellschafter mehr als 100 Stimmen zustehen;
- Mehrstimmrechte, wonach ein Gesellschafter je Euro eines Geschäftsanteils mehr als eine Stimme hat;
- Festlegung von prozentualen Stimmrechten, die von der Beteiligung am Stammkapital abweichen können oder
- Schaffung von (beliebig vielen) stimmrechtslosen Geschäftsanteilen, solange noch mindestens ein Geschäftsanteil stimmberechtigt ist und die Gesellschafterrechte ausüben kann.
Rz. 520
Nachträgliche Beschränkungen des Stimmrechts, die nicht generell, sondern nur für einzelne Gesellschafter gelten, sind wegen Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgebot unzulässig, sofern nicht die Zustimmung des betroffenen Gesellschafters vorliegt.