Leitsatz
Errichtet ein Unternehmer ein ausschließlich für private Wohnzwecke zu nutzendes Einfamilienhaus als Anbau an eine Werkshalle auf seinem Betriebsgrundstück, darf er den Anbau nicht seinem Unternehmen zuordnen, wenn beide Bauten räumlich voneinander abgrenzbar sind. In diesem Fall steht ihm kein Vorsteuerabzug aus den Kosten für die Errichtung des Anbaus zu.
Normenkette
§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG 1999
Sachverhalt
Der Kläger ist Inhaber eines Buchbinderbetriebs. Er baute zunächst auf seinem Grundstück eine Werkshalle. Im Streitjahr 2003 errichtete er auf demselben Grundstück als Anbau an die Werkshalle ein Einfamilienhaus, das von ihm ausschließlich zu privaten Wohnzwecken genutzt wird.
Er machte die Vorsteuerbeträge aus den Herstellungskosten des Anbaus in seiner USt-Erklärung für das Streitjahr 2003 geltend. Das FA versagte den Vorsteuerabzug mit der Begründung, es handle sich bei dem Anbau um ein selbstständiges und ausschließlich nicht unternehmerisch genutztes Investitionsgut.
Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, der Anbau habe nicht dem Unternehmen zugeordnet werden können, da er ausschließlich zu privaten Wohnzwecken genutzt werde (FG Köln, Urteil vom 30.01.2008, 7 K 3232/05, Haufe-Index 1959697, EFG 2008, 901).
Entscheidung
Die Revision des Klägers hatte aus den Gründen, die sich aus den Praxis-Hinweisen ergeben, keinen Erfolg.
Hinweis
1. Nach der Rechtsprechung des EuGH darf ein Unternehmer ein Gebäude, das er teilweise unternehmerisch und teilweise zu eigenen Wohnzwecken nutzt, insgesamt seinem Unternehmen zuordnen und die auf das gesamte Gebäude entfallenden Vorsteuerbeträge geltend machen (EuGH, Urteil vom 08.05.2003, C-269/00, Seeling, BFH/NV 2003, Beilage 3, 157).
Voraussetzung ist, dass es sich bei dem Gebäude um ein einheitliches und damit gemischt genutztes Wirtschaftsgut und nicht um zwei selbstständige Wirtschaftsgüter handelt.
2. Bei der Entscheidung, ob ein späterer Anbau an ein unternehmerisch genutztes Gebäude ein selbstständiges Wirtschaftsgut oder ein selbstständiger Gegenstand im umsatzsteuerrechtlichen Sinn ist, kann nicht auf die nationale zivilrechtliche Rechtslage abgestellt werden (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 04.10.1995, C-291/92, "Armbrecht", Haufe-Index 60648).
Der BFH hat zu dem Umbau eines Gebäudes entschieden, dass von der Herstellung eines neuen Wirtschaftsguts ausgegangen werden könne, wenn die neu eingefügten Gebäudeteile dem Gesamtgebäude das bautechnische Gepräge gäben und eine wesentliche Funktions- und Zweckänderung eintrete (BFH, Urteil vom 05.06.2003, V R 32/02, BFH/NV 2003, 1511, BFH/PR 2003, 425).
Bei Übertragung dieser Grundsätze auf die Errichtung eines Anbaus ist dieser jedenfalls dann ein selbstständiges Wirtschaftsgut, wenn er von dem bereits bestehenden Gebäude abgrenzbar ist und zwischen den Bauten kein einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang besteht.
Bei einem Anbau stehen das Vorhandensein einer gemeinsamen Wand und gemeinsamer Versorgungsleitungen der Abgrenzbarkeit nicht entgegen. Eine Werkshalle und ein ausschließlich zu privaten Wohnzwecken genutzter Anbau stehen auch nicht in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 23.09.2009 – XI R 18/08