Leitsatz
Entstandene Säumniszuschläge auf materiell unrechtmäßige Steuerforderungen können nicht aus sachlichen Billigkeitsgründen erlassen werden. Die Verwirkung von Säumniszuschlägen ist unabhängig von der materiellen Rechtmäßigkeit der zu zahlenden Forderung.
Sachverhalt
Der Kläger betrieb ein Glücksspielunternehmen. Das beklagte FA erließ für das Streitjahr einen Jahresumsatzsteuerbescheid, gegen den der Kläger Einspruch einlegte und dessen Vollziehung ausgesetzt wurde. Nachdem der EuGH die Erhebung von Umsatzsteuern auf Erlöse aus Glücksspielen als nicht richtlinienkonform erklärt hatte, hob das beklagte FA den Jahresumsatzsteuerbescheid auf. Der Kläger hatte die Umsatzsteuervorauszahlungen für die Monate Januar bis August des Streitjahres nicht gezahlt. Daher waren Säumniszuschläge in beachtlicher Höhe verwirkt. Nach Aufhebung des Jahresumsatzsteuerbescheids beantragte der Kläger den Erlass dieser Säumniszuschläge. Das beklagte FA erließ die Säumniszuschläge erst ab dem Zeitpunkt der Einlegung des Einspruchs gegen den Jahresumsatzsteuerbescheid. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob der Kläger Klage und beantragte, das FA zu verpflichten, die Säumniszuschläge auf die Umsatzsteuervorauszahlungen zu erlassen.
Entscheidung
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das FA könne Säumniszuschläge als Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlassen, wenn deren Einziehung im Einzelfall unbillig sei. Die Entscheidung über einen Erlass aus Billigkeitsgründen sei eine behördliche Ermessensentscheidung, so dass die gerichtliche Überprüfung auf eine fehlerhafte Ermessensausübung beschränkt sei. Für das FG Münster war eine fehlerhafte Ermessensausübung des beklagten FA nicht ersichtlich. Der Ermessensspielraum des beklagten FA sei bei seiner Erlassentscheidung nicht dadurch reduziert gewesen, dass die Bundesrepublik Deutschland es versäumt habe, die einschlägige europäische Richtlinie auf dem Gebiet der Umsatzbesteuerung umzusetzen. Das Schicksal von Säumniszuschlägen sei nicht von der Beständigkeit der Hauptforderung abhängig. Anknüpfungspunkt der Verwirkung von Säumniszuschlägen sei nicht das materiellrechtliche Bestehen einer Steuerschuld, sondern der Steuerungehorsam, der in der Missachtung vollziehbarer Steuerbescheide zum Ausdruck komme.
Hinweis
Das FG Münster selbst gibt in seiner Entscheidung die Antwort auf die Frage, was der Kläger oder sein steuerlicher Berater hätte veranlassen sollen, um die Entstehung der Säumniszuschläge auf die Umsatzsteuervorauszahlungen zu verhindern. Die Ausschöpfung der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten der AO gegen die Steuerfestsetzungen unter Vorbehalt der Nachprüfung in Gestalt der Umsatzsteuervoranmeldungen hätte den Kläger vor den Säumniszuschlägen bewahrt. Eine entstandene Steuerschuld lediglich nicht zu zahlen, ersetzt nicht Einspruch und Antrag auf Aussetzung der Vollziehung.
Link zur Entscheidung
FG Münster, Urteil vom 24.06.2003, 5 K 4783/01 AO