Dipl.-Finw. (FH) Helmut Lehr
Leitsatz
Ein Billigkeitserlass bei der erstmaligen Festsetzung von Umsatzsteuer auf Leistungen eines Schönheitschirurgen kommt zumindest in Nordrhein-Westfalen nicht in Betracht.
Sachverhalt
Mit Urteil v. 14.9.2000 (C-382/98) hat der EuGH entschieden, dass ärztliche Leistungen nach EG-Recht nur dann umsatzsteuerfrei sind, wenn sie der medizinischen Betreuung von Personen durch das Diagnostizieren und Behandeln von Krankheiten oder anderen Gesundheitsstörungen dienen. Vor Bekanntwerden dieser Entscheidung ist die Finanzverwaltung grundsätzlich "davon ausgegangen", dass Schönheitsoperationen nach § 4 Nr. 14 UStG umsatzsteuerfrei sind. Vor diesem Hintergrund beantragte ein Schönheitschirurg aus Nordrhein-Westfalen für das Jahr 1997 eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen bzw. den Erlass von Umsatzsteuern für seine Umsätze aus ästhetisch-plastischer Chirurgentätigkeit. Die entsprechenden Umsatzsteuern waren im Nachgang zu einer Umsatzsteuersonderprüfung mit Bescheid vom 26.4.2005 (für 1997) festgesetzt worden. Der Antrag auf Billigkeitsmaßnahmen wurde noch vor Ergehen des Umsatzsteuerbescheids gestellt.
Entscheidung
Eine abweichende Umsatzsteuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen für 1997 kommt jedenfalls in Nordrhein-Westfalen nicht in Betracht. Für das Streitjahr existierten keine allgemeinen Verwaltungsrichtlinien, die besagt hätten, dass medizinisch nicht indizierte Leistungen eines plastischen Chirurgen gemäß § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei zu belassen sind. Außerdem hat der Kläger weder eine verbindliche Zusage noch eine Auskunft beim Finanzamt darüber eingeholt, wie diese Umsätze steuerlich zu beurteilen sind. Das Finanzamt durfte zutreffend darauf abstellen, dass es vorliegend im Bereich der nordrhein-westfälischen Finanzämter und speziell im Bereich der OFD Münster an einem schützenswerten Vertrauen des Klägers gefehlt hat, da keine entsprechende Verwaltungsanweisungen zu seinen Gunsten existierten. Die in den Bundesländern Baden-Württemberg und Bayern durch die dortigen Finanzverwaltungen gewährten Übergangsregelungen können nicht entsprechend im Streitfall zu Gunsten des Klägers angewandt werden. Entscheidend sei mithin, dass keine bundeseinheitliche Regelung (zu Gunsten des Klägers) existierte.
Hinweis
Es ist natürlich äußerst unbefriedigend, dass einige Bundesländer großzügige Übergangsregelungen für Schönheitschirurgen getroffen haben (vgl. Inhalt der Verfügung der OFD Frankfurt v. 31.1.2007, UR 2007 S. 595), während andere Länder dem nicht gefolgt sind. Rein wirtschaftlich betrachtet kann hier nicht mehr von Gleichmäßigkeit der Besteuerung die Rede sein. Allerdings wurde die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des FG Münster vom 14.12.2005 mittlerweile vom BFH zurückgewiesen (Beschluss v. 26.09.2007, V B 8/06). Danach können für die Frage des Vertrauensschutzes nur tatsächliche und rechtliche Umstände des Streitjahres 1997 maßgeblich sein und nicht der Inhalt späterer Verfügungen. Der BFH hält einen Anspruch auf Vertrauensschutz dem Grunde nach für möglich, wenn sich die Rechtsprechung verschärft oder von einer allgemein geübten Verwaltungspraxis zu Lasten des Steuerpflichtigen abgewichen wird und dieser im Vertrauen darauf bereits Dispositionen getroffen hat. Bei der umsatzsteuerlichen Behandlung der Schönheitschirurgen ist die Sachlage lt. BFH jedoch eine andere. Eine als gesichert zu betrachtende Rechtsauffassung soll hier nie vorgelegen haben, sondern es handelte sich lediglich um eine Nichtbeanstandung der von den Chirurgen erklärten umsatzsteuerfreien Umsätze. Schlichtes Verwaltungsunterlassen reicht nach Ansicht des BFH für die begehrte Billigkeitsmaßnahme nicht aus.
Link zur Entscheidung
FG Münster, Urteil vom 14.12.2005, 5 K 3532/05 U