Leitsatz
Verpachtet ein Unternehmer ein Grundstück an einen Landwirt, der seine Umsätze gemäß § 24 Abs. 1 UStG nach Durchschnittssätzen versteuert, kann der Verpächter nicht auf die Steuerfreiheit seiner Umsätze nach § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG verzichten (entgegen Abschn. 9.2 Abs. 2 UStAE).
Normenkette
§ 9 Abs. 2 Satz 1, § 24 Abs. 1 UStG, Art. 13 Teil C Buchst. a 6. EG-RL (= EWGRL 388/77)
Sachverhalt
Der Kläger errichtete im Streitjahr 2005 einen Rinderboxenlaufstall mit Melkkarussell sowie einen Kälberaufzuchtstall, die er ab November 2005 an eine GbR verpachtete. Gesellschafter der GbR waren der Kläger und seine Ehefrau. Die GbR unterhielt einen landwirtschaftlichen Betrieb und versteuerte ihre Umsätze nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG. Der Kläger ging davon aus, dass seine Leistungen an die GbR steuerfrei seien und erklärte einen Verzicht auf die Steuerfreiheit. Dementsprechend machte er aus der Errichtung der verpachteten Gegenstände den Vorsteuerabzug geltend.
Das FA war der Auffassung, dass der Kläger zwar zum Vorsteuerabzug berechtigt sei, aber mit der GbR ein unübliches Entgelt vereinbart habe, sodass die sog. Mindestbemessungsgrundlage anzuwenden sei. Einspruch und Klage gegen den geänderten Umsatzsteuerjahresbescheid hatten keinen Erfolg. Nach dem Urteil des FG lagen die Voraussetzungen für einen Verzicht nach § 9 UStG nicht vor (Niedersächsisches FG, Urteil vom 29.6.2017, 11 K 88/16, Haufe-Index 11379723, EFG 2018, 74).
Entscheidung
Der BFH hob das Urteil des FG auf und verwies die Sache an das FG zurück. Inhaltlich bestätigte der BFH, dass ein Verzicht nach § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG bei der Vermietung an einen Pauschallandwirt, der seine Umsätze nach § 24 Abs. 1 UStG versteuert, nicht zulässig ist. Das FG habe aber nicht aufgeklärt, ob und ggf. inwieweit eine originäre Steuerpflicht nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG im Hinblick auf die entgeltliche Überlassung von Betriebsvorrichtungen gegeben ist. Hierzu sind in einem zweiten Rechtsgang weitere Feststellungen zu treffen.
Hinweis
1. Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG ist der Verzicht auf die Steuerbefreiung bei der VuV von Grundstücken i.S.v. § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG nur zulässig, soweit der Leistungsempfänger das Grundstück ausschließlich für Umsätze verwendet oder zu verwenden beabsichtigt, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Nach der amtlichen Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 12/5630, S. 87) dient § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG der Bekämpfung sog. Vorschaltmodelle. Unionsrechtlich beruht § 9 UStG auf Art. 137 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL (zuvor Art. 13 Teil C Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG).
2. Verpachtet ein Unternehmer ein Grundstück an einen Landwirt, der seine Umsätze gemäß § 24 Abs. 1 UStG nach Durchschnittssätzen versteuert, kann der Verpächter entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung (Abschn. 9.2 Abs. 2 UStAE) nicht auf die Steuerfreiheit seiner Umsätze nach § 9 Abs. 2 Satz 1 UStGverzichten.
a) Ob "der Leistungsempfänger das Grundstück ausschließlich für Umsätze verwendet oder zu verwenden beabsichtigt, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen", richtet sich danach, ob er bei einem Verzicht aus der bezogenen Leistung zum Vorsteuerabzug nach § 15 UStG berechtigt ist.
Dies trifft auf Pauschallandwirte, die ihre Umsätze nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG versteuern, nicht zu. Maßgeblich ist hierfür das Verbot des "weiteren" Vorsteuerabzugs nach § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG. Hierdurch schließt das Gesetz den leistungsbezogenen Vorsteuerabzug aus. Ohne Bedeutung ist, dass § 24 Abs. 1 Satz 3 UStG "Vorsteuerbeträge" festsetzt, die der Höhe nach in den Fällen des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 3 UStG der geschuldeten Steuer entspricht. Denn hierbei handelt es sich nicht um einen Vorsteuerabzug i.S.v. § 15 UStG aus konkret bezogenen Leistungen, sondern um eine pauschalierte Form der Steuerberechnung.
b) Bestätigt wird dies durch das vom historischen Gesetzgeber mit § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG verfolgte Regelungsziel, Vorschaltmodellen entgegenzuwirken.
c) Gegen die Zulässigkeit des Verzichts spricht auch der zwischen § 9 UStG und § 15 UStG bestehende Regelungszusammenhang. Danach ist die Frage der Vorsteuerabzugsberechtigung für beide Normbereiche einheitlich zu beurteilen. Somit spricht gegen die Zulässigkeit eines Verzichts, dass ein Wechsel von der allgemeinen Besteuerung zur Besteuerung nach Durchschnittssätzen gemäß § 24 Abs. 1 UStG auch zu einer Vorsteuerberichtigung führt, wie dies § 15a Abs. 7 UStG ausdrücklich anordnet.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 1.3.2018 – V R 35/17