Leitsatz
1. Vereinnahmt der Unternehmer eine Anzahlung, ohne die hierfür geschuldete Leistung zu erbringen, kommt es erst mit der Rückgewähr der Anzahlung zur Minderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG (Fortführung von BFH-Urteil vom 18.09.2008, V R 56/06, BStBl II 2009, 250, entgegen BFH-Urteil vom 24.08.1995, V R 55/94, BStBl II 1995, 808).
2. Wird die Leistung nach Vereinnahmung des Entgelts rückgängig gemacht, entsteht der Berichtigungsanspruch nach § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG erst mit der Rückgewähr des Entgelts (Fortführung von BFH-Urteil in BStBl II 2009, 250, entgegen BFH-Beschluss vom 20.08.1999, V B 74/99, BFH/NV 2000, 243).
Normenkette
§ 17 UStG 1999; § 103 InsO
Sachverhalt
Eine GmbH hatte Anzahlungen für noch nicht erbrachte Leistungen vereinnahmt; nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entschied sich der Insolvenzverwalter für die Nichterfüllung zugrunde liegender Verträge. Die Verträge wurden "rückabgewickelt".
Anders als der Insolvenzverwalter ging das FA davon aus, Rückabwicklung und Berichtigung der Bemessungsgrundlage seien dem Zeitraum vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zuzuordnen. Das FG (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.06.2009, 6 K 1969/06, Haufe-Index 2187095, EFG 2009, 1667) gab der Klage statt.
Entscheidung
Die Revision des FA hatte Erfolg. Auch nach § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG (Rückgängigmachung der steuerpflichtigen Leistung) ist, soweit das Entgelt bereits vereinnahmt ist – ebenso wie nach § 17 Abs. 1 und § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG – eine Berichtigung erst dann und nur insoweit zulässig, soweit das vereinnahmte Entgelt tatsächlich zurückgezahlt wird.
Hinweis
1. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens berührt nicht die Unternehmereigenschaft des Insolvenzschuldners. Dementsprechend bestimmt sich auch die Umsatzsteuer für das gesamte Unternehmen des Gemeinschuldners zunächst – ohne Rücksicht auf die Vorschriften des Insolvenzrechts – ausschließlich nach dem Umsatzsteuerrecht.
2. Die Besonderheiten des Insolvenzverfahrens bedingen jedoch – abgesehen vom Sonderfall der Aufnahme einer neuen Tätigkeit des Insolvenzschuldners nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens – vor allem wegen des Erfordernisses der Zuordnung von Ansprüchen zu den Insolvenz- oder Masseforderungen – eine Zäsur: Die vor Insolvenzeröffnung begründete Umsatzsteuer ist als Insolvenzforderung zur Tabelle anzumelden; nach Insolvenzeröffnung begründete Umsatzsteuerforderungen sind durch einen an den Insolvenzverwalter gerichteten Steuerbescheid geltend zu machen und von diesem vorweg aus der Insolvenzmasse zu befriedigen. Die einheitliche Umsatzsteuerschuld ist – aus Sicht des FA – nach Maßgabe der jeweiligen Entstehungszeitpunkte für die unselbstständigen Besteuerungsgrundlagen (Umsatzsteuer, Vorsteuer, Berichtigungen nach § 17 UStG) in eine Insolvenzforderung und eine Masseforderung aufzuteilen. Die Zäsur durch die Insolvenzeröffnung führt letztlich zu zwei zeitlich zu unterscheidenden "Unternehmensteilen".
3. Eine Änderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 1 UStG setzt für den Fall einer bereits erfolgten Entgeltvereinnahmung die Rückzahlung des Entgelts voraus. Denn bei der Sollbesteuerung bildet die Solleinnahme zwar zunächst die Bemessungsgrundlage; hat der Unternehmer das "Soll"-Entgelt bereits vereinnahmt, ändert sich die Bemessungsgrundlage nicht schon durch (bloße) Vereinbarung einer "Entgeltminderung", sondern nur durch tatsächliche Rückzahlung des vereinnahmten Entgelts. Das gilt unabhängig vom zivilrechtlichen Anlass für die Entgeltminderung oder die ganz oder teilweise "Rückabwicklung".
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 02.09.2010 – V R 34/09