Leitsatz
Stückzinsen aus dem Verkauf einer brasilianischen Anleihe gehören nicht zu den Einkünften "aus Schuldverschreibungen" oder "aus Forderungen" i.S.d. Art. 11 Abs. 4 DBA-Brasilien a.F. und lösen daher keine Anrechnung fiktiver Quellensteuer nach Art. 24 Abs. 2 und 3 DBA-Brasilien a.F. aus.
Normenkette
Art. 24 Abs. 2 und 3 DBA-Brasilien a.F., § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, § 34c Abs. 2 und 6 EStG 1997
Sachverhalt
Der Kläger erzielte im Streitjahr (2000) Einkünfte aus Kapitalvermögen. In diesem Zusammenhang erklärte er u.a. aus Brasilien stammende Einkünfte und eine darauf entfallende anrechenbare ausländische Steuer.
Das FA berücksichtigte hingegen eine anrechenbare brasilianische Steuer nur teilweise. Diesen Betrag hatte es in der Weise berechnet, dass es die erklärten Einnahmen um darin enthaltene vereinnahmte Stückzinsen gekürzt und 20 % des sich ergebenden Differenzbetrags von 75775 DM als anrechenbar behandelt hatte.
Die Klage gegen den auf dieser Basis erlassenen Steuerbescheid hat das FG abgewiesen (FG Köln, Urteil vom 24.06.2009, 4 K 4802/06, Haufe-Index 2220062, EFG 2009, 1752), …
Entscheidung
…, was vom BFH bestätigt wurde.
Hinweis
1. Das DBA-Brasilien ist"Rechtsgeschichte"; es wurde seitens der Bundesrepublik am 07.04.2005 gekündigt, und Neuverhandlungen, die zwischenzeitlich angestrengt wurden, sind bislang gescheitert.
2. Vor diesem Hintergrund ging es im Urteilsfall um "altes Recht", und zwar darum, ob eine fiktive brasilianische Quellensteuer auf die deutsche ESt anzurechnen ist. Das ermöglichte Art. 24 Abs. 2 S. 1 DBA-Brasilien a.F., wonach (1.) bei einer in Deutschland ansässigen Person (2.) auf die von den aus Brasilien stammenden Einkünften zu erhebende deutsche ESt (3.) die brasilianische Steuer angerechnet wird, die (4.) nach brasilianischem Recht und in Übereinstimmung mit dem Abkommen gezahlt worden ist. Für Zwecke dieser Anrechnung wird bei Zinsen i.S.d. Art. 11 Abs. 4 DBA-Brasilien a.F. davon ausgegangen, dass die brasilianische Steuer 20 % der Zinsen beträgt (Art. 24 Abs. 3 Buchst. b DBA-Brasilien a.F.). Die Anrechnung erfolgt unabhängig davon, ob sie nach brasilianischem Recht erhoben werden kann und ob sie in Brasilien tatsächlich gezahlt worden ist.
3. "Zinsen" sind nach Art. 11 Abs. 4 DBA-Brasilien a.F. Einkünfte aus öffentlichen Anleihen, aus Schuldverschreibungen und aus Forderungen jeder Art sowie alle anderen Einkünfte, die nach dem Steuerrecht des Vertragsstaats, aus dem sie stammen, den Einkünften aus Darlehen gleichgestellt sind.
Stückzinsen i.S.d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 EStG unterfallen aus Sicht des BFH nicht der in Art. 11 Abs. 4 DBA-Brasilien a.F. (und ebenso der in Art. 11 Abs. 3 OECD-MustAbk) enthaltenen Definition. Sie sind vielmehr abkommensrechtlich den Veräußerungsgewinnen i.S.d. Art. 13 DBA-Brasilien a.F./OECD-MustAbk zuzuordnen.
4. Damit entfällt die begehrte fiktive Anrechnung und zugleich der Abzug einer fiktiven brasilianischen Quellensteuer nach Maßgabe des § 34c Abs. 2 EStG bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens. Denn § 34c Abs. 6 S. 2 2. Halbs. EStG a.F. schließt ein solches Vorgehen aus.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 09.06.2010 – I R 94/09