Leitsatz
Wenn ein Sanierungsgewinn dadurch entstanden ist, dass die Schulden vor dem 9. Februar 2017 erlassen worden sind, kommt weder eine Einkommensteuerbefreiung dieses Sanierungsgewinns nach § 3a EStG n.F. noch eine Billigkeitsmaßnahme nach den BMF-Schreiben vom 27. März 2003 (BStBl I 2003, 240) oder vom 27. April 2017 (BStBl I 2017, 741) in Betracht.
Normenkette
§ 163 AO, § 3a, § 52 Abs. 4a Satz 1 EStG i.d.F. des Gesetzes vom 27.6.2017
Sachverhalt
Der Kläger erzielte im Streitjahr 2006 Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Diese Einkünfte setzten sich aus einem laufenden Verlust sowie einem außerordentlichen Ertrag aus einem Forderungsverzicht einer der Gläubigerbanken des Klägers zusammen. Er beantragte unter Berufung auf den Billigkeitserlass den Erlass der Einkommensteuer aus sachlichen Billigkeitsgründen.
Das FA lehnte den Erlass mit der Begründung ab, weder habe die Gläubigerbank in Sanierungsabsicht gehandelt noch sei die Sanierungseignung des Forderungsverzichts gegeben.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das FG war der Auffassung, dem Billigkeitserlass fehle es an der Rechtsgrundlage (Sächsisches FG, Urteil vom 15.7.2015, 6 K 1145/12, Haufe-Index 9691576, EFG 2016, 1582).
Entscheidung
Die Entscheidung des Großen Senats vom 28.11.2017 war für den X. Senat bindend, sodass die Revision des Klägers zurückzuweisen war.
Hinweis
1. Nachdem der Große Senat des BFH entschieden hatte, dass der sog. Billigkeitserlass vom 27.3.2003 (BStBl I 2003, 240) gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstößt (Beschluss vom 28.11.2016, GrS 1/15, BFH/NV 2017, 498, BFH/PR 2017, 165, BFHE 255, 482, BStBl II 2017, 393), ist der Gesetzgeber außergewöhnlich schnell tätig geworden.
Durch § 3a EStG n.F. durch das Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen vom 27.6.2017 (BGBl I 2017, 2074) wurde eine Steuerbefreiung für bestimmte Betriebsvermögensmehrungen aus einem Schuldenerlass zum Zwecke einer unternehmensbezogenen Sanierung geschaffen. § 3a EStG n.F. ist indes erstmals in den Fällen anzuwenden, in denen die Schulden ganz oder teilweise nach dem 8.2.2017 erlassen wurden (§ 52 Abs. 4a Satz 1 EStG n.F.).
2. Die Neuregelung betrifft damit künftige Steuerfestsetzungsverfahren. Was passiert aber mit den derzeit noch anhängigen und verfahrensrechtlich getrennt zu behandelnden Billigkeitsverfahren? Da die neue Steuerbefreiung des § 3a EStG n.F.keine Rückwirkung auf Altfälle vorsieht, will die Finanzverwaltung den Sanierungserlass in den Fällen, in denen der Forderungsverzicht bis zum 8.2.2017 endgültig vollzogen wurde, "weiterhin uneingeschränkt anzuwenden" (BMF-Schreiben vom 27.4.2017, BStBl I 2017, 741).
3. Für dieses BMF-Schreiben fehlt es aber an einer Rechtsgrundlage. Wenn der ursprüngliche Sanierungserlass gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstößt, gilt dasselbe auch für das nunmehrige BMF-Schreiben in BStBl I 2017, 741, wonach der Sanierungserlass für die Vergangenheit weiterhin uneingeschränkt anzuwenden sein soll.
4. Das bedeutet, dass dieses BMF-Schreiben im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens nicht beachtet werden darf! Eine Übergangsregelung für Altfälle hätte nur der Gesetzgeber treffen können; dies ist aber nicht geschehen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 23.8.2017 – X R 38/15