Dipl.-Finanzwirt Karl-Heinz Günther
Leitsatz
Die Ausbildungsabschnitte der zunächst durchgeführten dualen Ausbildung und eines anschließenden Studiums sind keine integrativen Teile einer einheitlichen Ausbildung, wenn sie nicht im Rahmen einer vom Anbieter des Ausbildungsganges vorgegebenen Ausbildung absolviert werden. Dies gilt auch dann, wenn das Kind durch seinen Ausbildungswunsch von vornherein die Durchführung einer dualen Ausbildung mit anschließendem Studium beabsichtigt und sein Berufsziel erst mit dem Studienabschluss erreicht.
Sachverhalt
Streitig war, ob eine Zweitausbildung oder eine einheitliche Ausbildungsmaßnahme vorliegt. Die Tochter des Klägers schloss ihre Schulausbildung im März 2011 mit dem Abitur ab. Anschließend absolvierte sie eine Ausbildung zur Kauffrau im Gesundheitswesen, die sie am 22.01.2014 erfolgreich abschloss. Im September 2014 begann sie berufsbegleitend ein Studium mit der Fachrichtung "Betriebswirt (VWA)". Sie reduzierte die Arbeitszeit auf 30 Wochenstunden. Streitig war nun, ob ab September 2014 weiterhin Kindergeld zu gewähren war. Die Familienkasse vertrat die Auffassung, dass das Kind mit der Abschlussprüfung zur Kauffrau im Gesundheitswesen eine abgeschlossene Ausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG habe und das nachfolgend begonnene Studium als Zweitstudium anzusehen sei, so dass Kindergeld aufgrund der mit mehr als 20 Wochenstunden nachgegangenen Erwerbstätigkeit nicht mehr zu gewähren sei.
Entscheidung
Das Finanzgericht wies die nach erfolglosem Einspruchsverfahren eingelegte Klage ab und entschied, dass die Ausbildung des Kindes zur Kauffrau im Gesundheitswesen als erstmalige Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG anzusehen ist. Zwar können mehraktige Ausbildungsmaßnahmen dann Teil einer einheitlichen Erstausbildung sind, wenn sie zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt sind, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden soll und das angestrebte Berufsziel erst über den weiter führenden Abschluss erreicht werden kann. Hierfür ist jedoch Voraussetzung, dass die einzelnen Ausbildungsabschnitte integrative Teile einer einheitlichen Ausbildung sind und die Klammer zwischen den beiden Ausbildungsabschnitten durch den Anbieter des Ausbildungsganges gebildet wird. Dies lag im Streitfall jedoch nicht vor, da das Kind selbst von vornherein eine praktische Ausbildung mit anschließendem Aufbaustudium geplant hatte, um sein eigentliches Berufsziel zu erreichen.
Hinweis
Die Streitfrage ist höchstrichterlich noch nicht entschieden, weshalb das Finanzgericht die Revision zugelassen hat. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass auch im Fall der selbst geplanten Ausbildung dem Grunde nach die Pflicht der Eltern zum Unterhalt des Kindes und zur Finanzierung der Ausbildung gem. § 1610 Abs. 2 BGB bis zum Erreichen des Berufsziels fortbesteht. Hinzuweisen ist auch auf die Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg v. 2. 9. 2014 - 15 K 15011/14, wonach der Erwerb des Bachelors eine abgeschlossene Berufsausbildung darstellt. Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt, die unter dem Az. VI R 9/15 beim BFH anhängig ist.
Link zur Entscheidung
FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.06.2015, 6 K 1216/15