Prof. Dr. Bernd Heuermann
Leitsatz
Die zur Inanspruchnahme von AfA notwendige Belastung mit Anschaffungskosten ist in dem Jahr, in dem der Anschaffungsvorgang in vollem Umfang rückgängig gemacht worden ist, nicht (mehr) gegeben.
Normenkette
§ 7, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7, § 21 EStG
Sachverhalt
Der Steuerpflichtige erwarb durch notariellen Kaufvertrag (1996) einen ideellen Miteigentumsanteil, verbunden mit dem noch zu bildenden Teileigentum an einer ca. 110 qm großen (zu errichtenden) Gewerbeeinheit eines Gebäudes, und zahlte den vereinbarten Kaufpreis. Der im Januar 1997 abgeschlossene Mietvertrag (mit einer Laufzeit von zehn Jahren) über die Nutzung dieser Gewerbeeinheit als Büroräume wurde jedoch auf Betreiben der Mieterin wieder aufgehoben, weil die förmliche Genehmigung zur gewerblichen Nutzung nicht vorlag.
Nachdem auch eine Vermietung an die Verkäuferin gescheitert und ein Nachweis der gewerblichen Nutzung der Räume nicht zu erlangen war, wurde der Kaufvertrag (auf Vorschlag der Verkäuferin) durch einen notariellen Vertrag am 19.12.1997 "seinem gesamten Inhalt nach" aufgehoben. Die vom Steuerpflichtigen im Jahr 1997 als (vorab entstandene vergebliche) Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend gemachte AfA für elf Monate i.H.v. 6 698 DM ließ das FA nicht zum Abzug zu. Das FG wies die Klage ab.
Entscheidung
Auch der BFH setzte die Aufwendungen nicht in Form von AfA als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ab und wies die Revision als unbegründet zurück. Denn mit der Aufhebung des Kaufvertrags im Streitjahr 1997 stand fest, dass der Steuerpflichtige keine Anschaffungskosten zu tragen hat.
Hinweis
Kann der Steuerpflichtige AfA geltend machen, auch wenn der Anschaffungsvorgang rückgängig gemacht wurde? Mit dieser Frage musste sich der BFH in diesem Fall beschäftigen und hat -- so ganz nebenbei -- auch noch die Frage nach der Rechtsnatur der AfA geklärt. Dies ist also ein Grundsatzurteil zur AfA!
1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG i.V.m. § 7 EStG kann der Steuerpflichtige die von ihm getragenen Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines bebauten Grundstücks im Weg der AfA -- verteilt auf die Nutzungsdauer -- als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend machen, wenn er dieses Grundstück zur Erzielung von Vermietungseinkünften nutzt.
2. Der Steuerpflichtige muss danach die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für ein Wirtschaftsgut (Gebäude) selbst aufgewendet haben. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob er sie im Zeitpunkt der Vornahme der AfA bereits gezahlt hat. Anschaffungskosten trägt auch, wer den Kaufpreis noch nicht beglichen hat, sondern ganz oder teilweise schuldet.
3. In Anwendung dieser Grundsätze kann ein Steuerpflichtiger in dem Jahr keine AfA (mehr) geltend machen, in dem der ein Jahr zuvor geschlossene Kaufvertrag in vollem Umfang aufgehoben worden war. Denn er hat keine Anschaffungskosten zu tragen -- er ist ja nicht mehr verpflichtet, den Kaufpreis zu zahlen. Auf den Zeitpunkt der Rückzahlung der Aufwendungen, die als Anschaffungskosten geltend gemacht worden sind, kommt es nicht an.
4. Exkurs zur Rechtslage, wie sie sich m.E. im Jahr zuvor darstellt: Hier kann der Steuerpflichtige AfA geltend machen. Denn zu dieser Zeit schuldete er den Kaufpreis, trug also Anschaffungskosten. Wird der Kaufvertrag rückabgewickelt, werden Werbungskosten zurückgezahlt, da sich die Anschaffungskosten bereits als AfA steuerrechtlich ausgewirkt haben.
§ 175 Abs. 1 Nr. 2 AO ist m.E. nicht anwendbar, denn es liegt kein rückwirkendes Ereignis vor. An der Vermietungstätigkeit ändert die Rückabwicklung des Kaufvertrags nichts.
Der Rückfluss von Anschaffungskosten (§ 11 Abs. 1 EStG), soweit sie schon als AfA steuerrechtlich geltend gemacht worden sind, führt zu Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung.
5. Zum Wesen der AfA: Bereits in seinem Urteil vom 26.04.2006 (BFH-PR 2006, 388) hatte der IX. Senat des BFH erkannt, dass § 7 EStG nicht dem Ausgleich eines eingetretenen Wertverzehrs ohne Aufwand dient, sondern nach seinem Wortlaut und Zweck dazu bestimmt ist, Aufwendungen des Steuerpflichtigen in Gestalt von Anschaffungs- oder Herstellungskosten für das jeweilige Wirtschaftsgut typisierend periodengerecht zu verteilen.
Damit ist zugleich eine im Schrifttum seit langer Zeit heftig diskutierte Frage über die Rechtsnatur der AfA entschieden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 19.12.2007, IX R 50/06