Leitsatz
1. Bei der Ermittlung des Ermäßigungshöchstbetrags nach § 35 EStG ist keine quellenbezogene Betrachtung anzustellen. Innerhalb einer Einkunftsart sind somit positive und negative Ergebnisse aus verschiedenen Quellen zu saldieren (entgegen BMF, Schreiben vom 24.2.2009, BStBl I 2009, 440, Rz. 16).
2. Bei Ehegatten sind positive Einkünfte des einen Ehegatten nicht mit negativen Einkünften des anderen aus der gleichen Einkunftsart zu verrechnen.
Normenkette
§ 35, § 26b EStG
Sachverhalt
Die Kläger sind Eheleute, die für 2008 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Beide erzielten Einkünfte aus Gewerbebetrieb, aus Land‐ und Forstwirtschaft, Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung, der Kläger darüber hinaus aus selbstständiger Arbeit. Diese stammten z.T. aus verschiedenen Beteiligungen und erbrachten teilweise positive Ergebnisse und teilweise Verluste.
Das FA berücksichtigte bei der Ermittlung des Höchstbetrags nur die positiven Einkünfte der Kläger aus den Einkunftsquellen bei den einzelnen Einkunftsarten. Die Verluste aus zwei gewerblichen Beteiligungen des Klägers ließ es außer Betracht, ohne sie mit seinen gewerblichen Gewinnen zu verrechnen. Bei den Einkünften aus Land‐ und Forstwirtschaft der Klägerin nahm es keine Saldierung von positiven und negativen Ergebnissen vor, auch saldierte es nicht die insgesamt negativen Einkünfte der Klägerin aus Land‐ und Forstwirtschaft mit den positiven Einkünften des Klägers aus dieser Einkunftsart. Danach ergab sich ein Ermäßigungshöchstbetrag von 11.821 EUR.
Das FG Münster (Urteil vom 12.12.2013, 13 K 4566/10 E, Haufe-Index 6528228, EFG 2014, 551) gab der Klage statt und setzte die Einkommensteuer unter Berücksichtigung eines Ermäßigungshöchstbetrags von 18.753 EUR herab. Es entschied gegen die auf die Einkunftsquelle bezogene Betrachtungsweise des FA, aber nahm zwischen den Ehegatten einen horizontalen Verlustausgleich vor.
Entscheidung
Die Revision des FA war zum Teil begründet. Der BFH lehnte sowohl die quellenbezogene Berechnungsmethode der Verwaltung als auch den vom FG vorgenommenen horizontalen Verlustausgleich ab. Danach ergab sich ein Ermäßigungshöchstbetrag von 13.034 EUR.
Hinweis
1. Um Einzelunternehmer und Personengesellschaften im Ergebnis von der Gewerbesteuer zu entlasten, wird die Einkommensteuer nach § 35 EStG ermäßigt, soweit sie anteilig auf im zu versteuernden Einkommen enthaltene und der Gewerbesteuer unterliegende gewerbliche Einkünfte entfällt. Zur Ermittlung des Ermäßigungshöchstbetrages ist zunächst die Summe der positiven gewerblichen Einkünfte durch die Summe aller positiven Einkünfte zu teilen.
2. Der Begriff der "Einkünfte" in der Berechnungsformel des § 35 Abs. 1 Satz 2 EStG ist nicht i.S.v. "Einkunftsquelle" zu verstehen, sodass negative Ergebnisse aus einzelnen "Quellen" von vornherein nicht zu berücksichtigen wären. Stattdessen ist sowohl im Zähler als auch im Nenner innerhalb einer Einkunftsart eine Saldierung von positiven und negativen Ergebnissen vorzunehmen. Verbleibt ein negativer Saldo, so sind diese Einkünfte bei der Ermittlung des Ermäßigungshöchstbetrags außer Betracht zu lassen (a.A. BMF in BStBl I 2009, 440, Rz. 16).
Ein Beispiel: Erzielt jemand aus der Beteiligung an der Personengesellschaft I einen Gewinn i.H.v. 100.000 EUR und aus der Beteiligung an der Personengesellschaft II einen Verlust in gleicher Höhe, so kommt es (wegen des Zählers Null) nicht zu einer Entlastung. Eine Saldierung positiver und negativer "Quellen" innerhalb einer anderen Einkunftsart (wie z.B. VuV) ist dagegen vorteilhaft, weil sie den Nenner mindert und damit den Ermäßigungsbetrag erhöht.
3. Da nur innerhalb einer Einkunftsart zu saldieren ist, können negative Einkünfte aus einer nicht begünstigten Einkunftsart nicht mit positiven Einkünften aus einer anderen nicht begünstigten Einkunftsart verrechnet werden, was den Ermäßigungshöchstbetrag mindert.
4. Werden Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt (§ 26b EStG), sind die Berechnungsgrundlagen für jeden Ehegatten getrennt zu ermitteln. In die "Summe der positiven gewerblichen Einkünfte" und in die "Summe aller positiven Einkünfte" gehen die (positiven) Einkünfte der Ehegatten aus den einzelnen Einkunftsarten ein, ohne dass vorher mit etwaigen negativen Einkünften des anderen Ehegatten aus der jeweiligen Einkunftsart zu saldieren wäre. Das wirkt sich steuermindernd aus, wenn eine Saldierung positiver gewerblicher Einkünfte des einen mit negativen gewerblichen Einkünften des anderen Ehegatten unterbleibt, und steuererhöhend, wenn Verluste eines Ehegatten aus einer anderen Einkunftsart nicht mit Gewinnen oder Überschüssen des anderen Ehegatten aus derselben Einkunftsart verrechnet werden können.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 23.6.2015 – III R 7/14