Leitsatz
1. Die Anwendung von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. a i.V.m. Satz 2 EStG 1990/1994 auf eine auf Jahre vor 1994 entfallende sog. Marktrendite von Optionsanleihen verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot.
2. Der Sparer-Freibetrag gem. § 20 Abs. 4 EStG 1990 ist sowohl bei der Ermittlung der inländischen Einkünfte aus Kapitalvermögen als auch bei der Ermittlung der ausländischen Kapitaleinkünfte im Rahmen des § 34c Abs. 1 EStG 1990 zu berücksichtigen. Maßstab für die Aufteilung des Sparer-Freibetrags ist das Verhältnis der ausländischen zu den inländischen Einkünften aus Kapitalvermögen.
Normenkette
§ 20 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und Satz 2, Abs. 4 EStG 1990 i.d.F. des StMBG , § 34c Abs. 1 EStG 1990 i.d.F. des StMBG
Sachverhalt
Zwischen dem FA und den Klägern, die als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, sind zwei Punkte streitig.
1. Streitfrage:
Bei der 1. Streitfrage geht es um Einnahmen aus Kapitalvermögen, die der Kläger im Streitjahr 1994 erzielte. Es handelte sich um Einnahmen in Höhe von 26 246 DM, wovon 1 118 DM aus den USA stammten. Die erklärten Werbungskosten in Höhe von 10 399 DM betrafen allein die inländischen Einnahmen. Auf die ausländischen Einkünfte zahlte der Kläger ausländische Steuern in Höhe von 167 DM.
Das FA ermittelte die Einkünfte aus Kapitalvermögen hiernach wie folgt:
Einnahmen:
25 128 DM – 1 118 DM – 26 246 DM
Werbungskosten:
10 399 DM – 0 DM – 10 399 DM
Zwischensumme:
14 729 DM – 1 118 DM – 15 847 DM
Sparer-Freibetrag:
11 155 DM – 845 DM – 12 000 DM
Einkünfte:
3 574 DM – 273 DM – 3 847 DM
Von der tariflichen Einkommensteuer in Höhe von 25 036 DM zog das FA für die auf die ausländischen Einkünfte einbehaltene Quellensteuer einen Betrag in Höhe von 57 DM ab, nämlich: 25 036 DM (Einkommensteuer) x 273 DM (ausländische Einkünfte) : 122 019 DM (Gesamtbetrag der Einkünfte) = 56,01 DM, aufgerundet 57 DM.
2. Streitfrage:
Die 2. Streitfrage betraf einen Betrag in Höhe von 2 280 DM, der in den inländischen Einnahmen aus Kapitalvermögen enthalten ist und der auf einer im Streitjahr erfolgten Rückzahlung von Optionsanleihen einer inländischen AG beruht. Der Kläger erwarb diese Optionsanleihen in Höhe eines Nominalwerts von 10 000 DM im Jahr 1985 zum Kurswert von 7 675 DM zzgl. 44,24 DM Stückzinsen, insgesamt somit für aufgerundet 7 720 DM. Die Differenz zwischen den Anschaffungskosten und dem Nominalwert der Anleihen erfasste das FA nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. a i.V.m. Satz 2 des EStG 1990 i.d.F. des StMBG vom 21.12.1993 (BStBl I 1994, 50) als Einnahmen aus Kapitalvermögen.
Entscheidung
Das FG gab dem FA in beiden Punkten Recht. Der BFH bestätigte dies im Grundsatz, verwies die Sache aber hinsichtlich des 2. Streitpunkts zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das FG zurück, um die Anleihebedingungen der erworbenen Optionsanleihen aufzuklären. Einzelheiten zu den Entscheidungsgründen ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen.
Hinweis
1. Der BFH beschäftigt sich im 1. Streitpunkt des Urteilsfalls damit, ob die ertragsteuerrechtliche Erfassung der sog. Marktrendite von Optionsanleihen gem. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. a i.V.m. Satz 2 EStG 1990 i.d.F. des StMBG in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise zurückwirkt (Rückwirkungsverbot), wenn die Anleihen vor In-Kraft-Treten des StMBG und damit vor einer steuerlichen Erfassung erworben wurden. Dies wird verneint: Es sei dem Gesetzgeber unbenommen, Besteuerungslücken zu schließen und das Gesetz 'nachzubessern'. Das Vertrauen des Steuerpflichtigen in die Beibehaltung einer ihm steuerlich günstigen Regelung für alle Zukunft sei nicht schützenswert. Das gelte jedenfalls so lange, wie der Zeitpunkt des erstmaligen In-Kraft-Tretens einer Norm nicht in unzulässiger Weise zurückverlagert werde. Davon könne indes bei der genannten Regelung, die erstmals vom VZ 1994 an anzuwenden sei, keine Rede sein.
Fazit: Es gilt feinsinnig zu differenzieren: Verschärft der Gesetzgeber die Besteuerung, indem er eine zuvor gegebene steuerliche Subventionierung schlicht rückgängig macht, dann schädigt er in womöglich verfassungswidriger Weise das gesetzte Vertrauen. In diesem Sinn hat erst kürzlich der IX. Senat des BFH in einem AdV-Verfahren zur Verlängerung der Spekulationsfristen entschieden (vgl. Beschluss vom 5.3.2001, IX R 90/00, DStR 2001, 481, BFH-PR 2001, 142). Anders liegen die Dinge jedoch, wenn eine solche besondere, vertrauens- und dispositionsauslösende Maßnahme des Staates fehlt. Dann liegt lediglich eine verfassungsrechtlich unbedenkliche sog. unechte Rückwirkung vor.
2. Bedeutsam wird diese Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung indes ohnehin nur dann, wenn die erwähnte Marktrendite überhaupt steuerpflichtig ist und sie die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. a i.V.m. Satz 2 EStG 1990 i.d.F. des StMBG erfüllt. Der BFH hat hieran im Urteilsfall Zweifel: Zu einer Besteuerung könne es nur dann kommen, wenn der in Rede stehende Rückzahlungsbetrag einen Zinsanteil für die zugrunde liege...