Leitsatz
Wurden die für die Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im finanzgerichtlichen Verfahren angesprochen und ist der Kläger vor dem FG rechtskundig vertreten, bedarf es in der mündlichen Verhandlung keines richterlichen Hinweises, sich zu diesem entscheidungserheblichen Sachverhalt zu äußern. Bei einem durch einen fach- und sachkundigen Prozessbevollmächtigten vertretenen Beteiligten stellt das Unterlassen eines (nach seiner Ansicht notwendigen) Hinweises gemäß § 76 Abs. 2 FGO regelmäßig keinen Verfahrensmangel dar.
Normenkette
§ 76 Abs. 2 FGO, Art. 103 Abs. 1 GG
Sachverhalt
Auf Konten der Klägerin kam es zu Bareinzahlungen und sonstigen Gutschriften. Die Klägerin legte dar, die Zahlungen seien Unterhaltsleistungen ihres Lebensgefährten gewesen. Streitig waren das Vorliegen eines "Konkubinatsvertrags" und die Anwendung Schweizer Rechts. Das FA nahm an, es habe sich bei den Zahlungen nicht um Unterhaltsleistungen, sondern um freigebige Zuwendungen gehandelt.
Die Klagen der Klägerin hatten keinen Erfolg; das FG verweigerte die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Schweizer Familienrecht und gewährte einen in der mündlichen Verhandlung beantragten Schriftsatznachlass nicht.
Gegen die Urteile der Vorinstanz (Hessisches FG, Urteile vom 24.10.2017, 1 K 1153/16, 1 K 1154/16, 1 K 1155/16) hat die Klägerin Nichtzulassungsbeschwerden erhoben und eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie die Divergenz zu anderen Entscheidungen geltend gemacht. Darüber hinaus hat sich die Klägerin auf eine Verletzung der richterlichen Hinweispflicht berufen. Auch sollte ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht und eine Verletzung rechtlichen Gehörs vorliegen.
Entscheidung
Der BFH hat den Beschwerden nicht stattgegeben.
Im Hinblick auf die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und die Divergenz zu anderen Entscheidungen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) sind die Beschwerden bereits unzulässig, weil es der Klägerin nicht gelungen ist, eine abstrakte Rechtsfrage zu formulieren. Vielmehr rügt sie die rechtliche Würdigung durch das FG, was aber nicht hinreichend ist.
Im Übrigen sind die Beschwerden unbegründet. Eine Verletzung der richterlichen Hinweispflicht (§ 76 Abs. 2 FGO), welche die Verletzung rechtlichen Gehörs nach sich ziehen würde (Art. 103 Abs. 1 GG), ist nicht gegeben. Der richterliche Hinweis nach § 76 Abs. 2 FGO soll in erster Linie zur Gewährleistung eines fairen Verfahrens, zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und zur Vermeidung von Überraschungsentscheidungen Schutz und Hilfestellung für die Beteiligten geben, ohne dass indes deren Eigenverantwortlichkeit dadurch eingeschränkt oder beseitigt wird. Fragen nach den Bareinzahlungen auf den Konten und nach dem Abschluss eines Konkubinatsvertrags waren im Streitfall bereits wiederholt im Verwaltungsverfahren und im finanzgerichtlichen Verfahren thematisiert worden, sodass keine Verpflichtung des FG bestanden hat, die rechtskundig beratene Klägerin auf entsprechende Gesichtspunkte – erneut – hinzuweisen.
Die Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens ist bereits deshalb unschädlich, weil sich der in der mündlichen Verhandlung anwesende Prozessbevollmächtigte zu weiteren Aufklärungsmaßnahmen nicht geäußert, sondern rügelos zur Sache verhandelt hat (vgl. § 155 FGO i.V.m. § 295 ZPO).
Hinweis
1. Die Problematik einer Verletzung der richterlichen Hinweispflicht stellt sich im Zusammenhang mit den Erfolgsaussichten einer Nichtzulassungsbeschwerde. Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), wenn die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des BFH erfordert (Nr. 2) oder wenn das Urteil auf einem geltend gemachten und vorliegenden Verfahrensmangel beruhen kann (Nr. 3). Die Verletzung der Hinweispflicht nach § 76 Abs. 2 FGO fällt unter die Kategorie der Verfahrensmängel.
2. Wird auf den Gesichtspunkt des Verfahrensmangels oder einen anderen dieser Gründe eine Nichtzulassungsbeschwerde gestützt, so muss der betreffende Grund in der Beschwerdebegründung dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Wird kein Zulassungsgrund dargelegt, so ist die Nichtzulassungsbeschwerde bereits unzulässig (BFH, Beschluss vom 29.1.2013, I B 181/12, BFH/NV 2013, 757). Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet, wenn die Zulassungsgründe nicht vorliegen.
3. Soweit ein Beschwerdeführer lediglich eine fehlerhafte Rechtsanwendung im Einzelfall geltend macht, ist dies für eine Revisionsbegründung prinzipiell nicht hinreichend. Das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten (vgl. BFH, Beschluss vom 21.1.2015, XI B 88/14, BFH/NV 2015, 864).
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 17.7.2019 – II B 35-37/18