Leitsatz
1. Ein Anteil am Vermögen der Gesamthand i.S. des § 6 GrEStG kann auch über eine mehrstöckige Beteiligung vermittelt werden.
2. Bei Treuhandverhältnissen ist der Anteil am Vermögen der Gesamthand dem Treuhänder zuzurechnen.
Normenkette
§ 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GrEStG, § 39 Abs. 1 Nr. 1 AO
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH & Co. KG, erwarb von der C-KG (Verkäuferin) aufgrund notariell beurkundeten Kaufvertrags vom 23.12.2015 Grundstücke. Alleinige Kommanditistin der Klägerin war die CT-KG (Zwischengesellschaft). Persönlich haftende Gesellschafterin der Zwischengesellschaft ohne Beteiligung am Vermögen war die Verkäuferin, alleinige Kommanditistin die X‐GmbH als Treuhänderin für die Verkäuferin.
Das FA setzte gegenüber der Klägerin GrESt fest. Einspruch und Klage blieben erfolglos (FG Düsseldorf, Urteil vom 8.5.2019, 7 K 2629/18 GE, Haufe-Index 14223726, EFG 2020, 1859).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision der Klägerin zurück. Das FG habe zu Recht angenommen, dass durch den Erwerb der Grundstücke am 23.12.2015 der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verwirklicht worden sei und die Voraussetzungen für eine Nichterhebung der Steuer nach § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG nicht erfüllt seien. Die Verkäuferin sei zwar persönlich haftende Gesellschafterin der Zwischengesellschaft gewesen. Als solche sei sie aber nicht am Gesamthandsvermögen der Zwischengesellschaft beteiligt gewesen. Soweit die Verkäuferin Treugeberin für die Kommanditistin der Zwischengesellschaft – die X‐GmbH – gewesen sei, vermöge diese Stellung wegen Fehlens einer zivilrechtlichen Beteiligung der Treugeberin an der Verkäuferin die Nichterhebung der Steuer nach § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG ebenfalls nicht zu tragen.
Hinweis
Der BFH befasst sich im Besprechungsurteil mit der Stellung von Gesamthandsgemeinschaften und der Bedeutung von Treuhandverhältnissen im GrESt-Recht.
1. Beim Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand wird nach § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG die Steuer nicht erhoben, soweit die Anteile der Gesamthänder am Vermögen der erwerbenden Gesamthand ihren Anteilen am Vermögen der übertragenden Gesamthand entsprechen.
a) Als "Anteil am Vermögen der Gesamthand" i.S.d. §§ 5 und 6 GrEStG ist die wertmäßige Beteiligung des einzelnen Gesamthänders am Gesamthandsvermögen anzusehen. Soweit der BFH auch nach dem Wandel der Rechtsprechung des BGH zur Teilrechtsfähigkeit einer GbR und der Beteiligung eines Gesamthänders über die Gesamthandsgemeinschaft an deren Vermögen in Zusammenhang mit den §§ 5 und 6 GrEStG begrifflich noch an die "dingliche Mitberechtigung der Gesamthänder am Gesellschaftsvermögen" angeknüpft hat, hält er hieran nicht mehr fest.
b) Das GrESt-Recht sieht die Personengesellschaft seit jeher als selbstständigen Rechtsträger an. Die grunderwerbsteuerrechtlichen Befreiungsvorschriften in den §§ 5 und 6 GrEStG erkennen dementsprechend grundsätzlich an, dass bei einem Übergang eines Grundstücks von einzelnen Gesamthändern auf eine Gesamthandsgemeinschaft ein steuerbarer Rechtsträgerwechsel stattfindet, sehen jedoch von der Erhebung der Steuer ab, soweit der Gesamthänder als Veräußerer zunächst Eigentümer des Grundstücks war und dann anteilsmäßig über das Vermögen der Gesamthand beteiligt ist. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass aufgrund der gesamthänderischen Verbundenheit der Gesellschafter das Grundstück trotz Rechtsträgerwechsels in demselben grunderwerbsteuerrechtlichen Zurechnungsbereich verbleibt.
c) Diese Grundsätze gelten auch, wenn die Beteiligung am Vermögen der Gesamthand durch die Beteiligung einer anderen Gesamthand an der ersteren (Zwischengesellschaft) vermittelt wird. Bei doppelstöckigen Gesamthandsgemeinschaften ist daher nicht die Zwischengesellschaft als solche als Zurechnungssubjekt anzusehen, sondern ein Rückgriff auf die am Vermögen der Zwischengesellschaft beteiligten Gesamthänder geboten.
2. Ein Treuhandverhältnis allein reicht nicht aus, um einem Treugeber im Rahmen der §§ 5, 6 GrEStG eine Beteiligung am Vermögen einer Gesamthand – sei es unmittelbar, sei es mittelbar über eine weitere Gesamthand – zuzurechnen.
a) Zu § 5 Abs. 2 GrEStG hat der BFH bereits entschieden, dass einem Veräußerer, der gleichzeitig Treugeber eines Gesellschafters der erwerbenden Gesamthand ist, die Beteiligung des Treuhänders nicht nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zugerechnet werden kann. Denn nicht der Treugeber, sondern der Treuhänder ist – für das GrESt-Recht allein maßgebend – zivilrechtlich am Vermögen der Gesamthand beteiligt. § 39 Abs. 2 AO mit seiner wirtschaftlichen Betrachtungsweise gilt in diesen Fällen nicht.
b) Dieselben Grundsätze sind bei Anwendung des § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG zugrunde zu legen. Eine erweiternde Auslegung des § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG ist bei einem Erwerb nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG – anders als im Bereich des § 1 Abs. 2a GrEStG – nicht geboten. Die Erwägungen, die der BFH bei den...