Leitsatz
1. Eine Eigengesellschaft (hier: GmbH) einer juristischen Person des öffentlichen Rechts (hier: Landkreis) kann nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG und § 3 Nr. 6 Satz 1 GewStG steuerbegünstigt sein. Das gilt auch, soweit sie in die Erfüllung hoheitlicher Pflichtaufgaben der Trägerkörperschaft (hier: Durchführung des bodengebundenen Rettungsdiensts) eingebunden ist.
2. Stehen kommunale Trägerkörperschaft und Eigengesellschaft in vertraglichen Leistungsbeziehungen, ist es als begünstigungsschädliche Gewinnausschüttung i.S.v. § 55 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 AO anzusehen, wenn die Eigengesellschaft für die von ihr zu erbringenden Leistungen ein Entgelt erhält, das einem Fremdvergleich (in Gestalt des Kostenausgleichs zzgl. eines marktüblichen Gewinnaufschlags) nicht standhält. Die Voraussetzungen des § 58 Nr. 2 AO sind in diesem Fall nicht erfüllt.
3. Eine Einrichtung der Wohlfahrtspflege gem. § 66 AO setzt nicht voraus, dass diese in unmittelbaren vertraglichen Beziehungen zu den von ihr betreuten Hilfsbedürftigen steht (Änderung der Rechtsprechung). Maßgeblich ist, dass die Hilfeleistungen in tatsächlicher Hinsicht selbst und unmittelbar gegenüber den Hilfsbedürftigen erbracht werden (Änderung der Spruchpraxis des Senats).
4. Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb agiert nicht allein deshalb "des Erwerbs wegen" i.S.v. § 66 Abs. 2 Satz 1 AO, weil er seine Leistungen zu denselben Bedingungen anbietet, wie private gewerbliche Unternehmen (Abgrenzung zum Senatsbeschluss vom 18.9.2007, I R 30/06, BStBl II 2009, 126, BFH/NV 2008, 490, BFH/PR 2008, 155). Maßgeblich ist, dass mit dem Betrieb keine Gewinne angestrebt werden, die über seinen konkreten Finanzierungsbedarf hinausgehen.
5. Die Steuerbefreiungen für Einrichtungen der Wohlfahrtspflege sind bestehende Beihilfen ("Alt-Beihilfen"), für die das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV nicht gilt.
Normenkette
§ 5 Abs. 1 Nr. 9, § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, § 3 Nr. 6 Satz 1 GewStG, §§ 52ff. AO; Art. 87 Abs. 1 EG, Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV
Sachverhalt
Nach dem Brandenburgischen Rettungsdienstgesetz sind Träger des sog. bodengebundenen Rettungsdienstes die Landkreise und kreisfreien Städte, die diese Aufgabe als pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe erfüllen. Auf dieser Basis wurde die Klägerin, eine GmbH, von einem brandenburgischen Landkreis zur Wahrnehmung des Rettungsdienstes gegründet und sodann aufgrund eines mit ihrem Träger geschlossenen Dienstleistungsvertrages entsprechend tätig. Sie erzielte im Streitjahr 2002, dem Gründungsjahr, zunächst einen Verlust von rd. 10.000 EUR, in den Folgejahren ebenfalls z.T. Verluste, z.T. aber auch Gewinne.
Das FA lehnte ihren Antrag, als gemeinnützig anerkannt zu werden, ab. Die deswegen erhobene Klage hatte Erfolg (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7.2.2012, 6 K 6086/08, Haufe-Index 2964007, EFG 2012, 1088).
Entscheidung
Der BFH hob das FG-Urteil auf und verlangte weitere Sachaufklärung durch das FG. Einzelheiten dazu ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen, auch zu den diversen Rechtsprechungsänderungen, welche der BFH in die Zurückverweisung der Sache an das FG eingebettet hat.
Hinweis
Das Urteil betrifft die von der öffentlichen Hand vielfach geübte "Auslagerungspraxis" hoheitlicher Verwaltungsaufgaben in einen zivilrechtlich geformten Eigenbetrieb. Konkret ging es dabei um einen kommunalen Rettungsdienst, dem die Kommune das Rechtskleid der GmbH "übergestülpt" hatte. Der BFH hat dazu die eine oder andere Position neu justiert, zum Teil auch entgegen seiner bisherigen Spruchpraxis:
1. Das betrifft zunächst eine "große"Streitfrage, nämlich diejenige, ob die öffentliche Hand als solche mit ihrem Hoheitsbereich überhaupt gemeinnützig sein kann.
Teilweise wird dazu vertreten, das schließe sich von vornherein aus, verkörpere der Staat doch sozusagen per definitionem das Gemeinwohl. Denn das für die Behandlung als gemeinnützig erforderliche Kriterium der Selbstlosigkeit könnten nur Private erfüllen. Ihnen allein eröffneten die Grundrechte prinzipiell die Freiheit zum Eigennutz. Demgegenüber habe der Staat diese Wahlfreiheit in seinem Kernbereich nicht. Er "müsse" Gutes tun.
Der BFH schlägt sich indessen auf die Seite der Gegenmeinung: Keineswegs sei der Staat als solcher per se "gemeinnützigkeitsunfähig". Er könne mit seinen Untergliederungen sehr wohl auch "selbstlos" agieren. Fördere die Eigengesellschaft durch ihre Tätigkeit gleichzeitig nicht wirtschaftliche, mithin uneigennützige Interessen ihrer Gesellschafter, indem sie deren hoheitliche (Pflicht-)Aufgaben wahrnehme, so liege darin lediglich ein "gleichsam in der Natur der Sache liegender Reflex".
Dieser Standpunkt deckt sich im Ergebnis mit dem Meinungsbild, das sich bereits aus dem Aufforderungsersuchen ergab, das der BFH seinerzeit an das BMF durch Beschluss vom 27.4.2005, I R 90/04 (BStBl II 2006, 198, BFH/NV 2005, 1655, BFH/PR 2005, 878) gerichtet hatte, damit dieses besagtem und seinerzeit anhängigem Revisionsverfahren I R 90/04 beitrete.
2. Allerdings: Die besagte Selbstlosigkei...