Dipl.-Finanzwirt Karl-Heinz Günther
Leitsatz
Wenn eine Reise abgrenzbare berufliche und private Veranlassungsbeiträge enthält, die jeweils nicht von völlig untergeordneter Bedeutung sind, so ist der beruflich veranlasste Teil der Reisekosten zum Abzug zuzulassen. Dieser Anteil ist ggf. zu schätzen.
Wenn dagegen berufliche und private Veranlassungsbeiträge so ineinandergreifen, dass eine Trennung nicht möglich ist und es an objektivierbaren Kriterien für eine Aufteilung fehlt, dann kommt ein Abzug der Aufwendungen insgesamt nicht in Betracht.
Sachverhalt
Die Steuerpflichtige war im Streitjahr 2019 als Lehrerin für die Fächer Religion, Geschichte und Erdkunde am B-Gymnasium in O tätig. Hierbei handelt es sich um ein katholisches Privatgymnasium in Trägerschaft des Bistums N. Die Klägerin nahm vom 18.10.2019-26.10.2019 an einer vom Schulträger organisierten Studienfahrt nach Israel teil. Das Finanzamt erließ einen Einkommensteuerbescheid für 2019, in dem es diese Aufwendungen nicht anerkannte, da sich die Reise nicht von einer allgemein-touristischen Reise unterscheide und nicht festgestellt werden könne, in welcher Weise sie konkret für den Unterricht erforderlich gewesen sei. Das Finanzamt wies den eingelegten Einspruch als unbegründet zurück. Der Israelreise der Steuerpflichtigen habe kein unmittelbarer beruflicher Anlass, wie etwa das Halten eines Vortrags auf einem Kongress, die Durchführung eines Forschungsauftrags oder das Aufsuchen eines Geschäftspartners, zugrunde gelegen. Zwar weise der Aufenthalt in Israel aufgrund des homogenen Teilnehmerkreises der Lehrer und die Verwendung der auf der Reise gewonnenen Kenntnisse im Rahmen der Lehrtätigkeit im Fachbereich katholische Religion Elemente beruflicher Veranlassung auf. Demgegenüber habe das Programm im Wesentlichen historische Orte, Museen und Ausgrabungen mit touristischem Hintergrund und damit auch allgemein interessierende Veranstaltungen enthalten. Die Begleitung durch die Reiseführer habe dem entsprochen, was auch bei allgemein-touristischen Reisen auf hohem Niveau von Reiseführern geleistet werde. Demzufolge sei keine nahezu berufliche Veranlassung anzunehmen.
Entscheidung
Das FG lehnte den begehrten Werbungskostenabzug ab und entschied, ob und inwieweit Aufwendungen für eine Reise in wirtschaftlichem Zusammenhang mit einer Einkunftsart stehen, hänge von den Gründen ab, aus denen der Steuerpflichtige die Reise oder verschiedene Teile einer Reise unternimmt. Die Gründe bilden das "auslösende Moment", das den Steuerpflichtigen bewogen hat, die Reisekosten zu tragen. Die Gründe des Steuerpflichtigen für eine bestimmte Reise sind anhand der gesamten Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu ermitteln. Enthält eine Reise abgrenzbare berufliche und private Veranlassungsbeiträge, die jeweils nicht von völlig untergeordneter Bedeutung sind (z. B. einer beruflich veranlassten Reise wird ein Urlaub hinzugefügt), so ist der beruflich veranlasste Teil der Reisekosten zum Abzug zuzulassen, wobei dieser Anteil ggf. unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände zu schätzen ist. Greifen dagegen die – für sich gesehen jeweils nicht unbedeutenden – beruflichen und privaten Veranlassungsbeiträge (z. B. bei einer beruflich/privaten Doppelmotivation für eine Reise) so ineinander, dass eine Trennung nicht möglich ist, fehlt es also an objektivierbaren Kriterien für eine Aufteilung, so kommt ein Abzug der Aufwendungen insgesamt nicht in Betracht. Daneben war die Reise aber auch privat veranlasst. Dies ergebe sich zunächst aus dem Programm, das nahezu ausschließlich Ziele enthielt, die von allgemein-touristischem und kulturellem Interesse sind und typischerweise von privaten Israel-Touristen besucht werden. Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass während der 8-tägigen Reise insgesamt 4 Gottesdienste stattfanden. Der Besuch von Gottesdiensten ist in erster Linie Ausdruck der höchstpersönlichen Religionsausübung und damit privat veranlasst. Dass die Reise auch privaten Interessen diente, ergibt sich ferner aus der Tatsache, dass das Konzept einer Studienfahrt für Religionslehrer/innen nach Israel über den reinen Besuch historischer Stätten hinausgeht. Daraus ergibt sich auch theologisch-inhaltlich ein "roter Faden" für diese Reise. Aus der Bezugnahme auf die historischen Stätten folgt, dass jedenfalls auch Orte von allgemeinem touristischem und kulturellem Interesse besucht wurden.
Hinweis
Die beruflichen und die privaten Veranlassungsmomente der Reise waren beide derart gewichtig, dass nicht einer von beiden als von untergeordneter Bedeutung angesehen werden konnte. Die besuchten Ziele wurden einerseits in einen unterrichtsbezogenen Kontext gestellt, haben aber andererseits sowohl allgemein-touristische als auch religiöse und geschichtliche Bedeutung. Daneben nahm auch die höchstpersönliche Religionsausübung durch den Besuch von Gottesdiensten einen bedeutenden Stellenwert der Reise ein.
Link zur Entscheidung
FG Münster, Urteil v. 27.01.2022, 1 K 224/21 E