Leitsatz
Lag nach der Einheitswertfeststellung ein landwirtschaftlicher Betrieb mit Wohn- und Wirtschaftsteil vor und überstieg die Größe der bewirtschafteten Fläche die für die Abgrenzung von einer privaten Gartenbewirtschaftung entwickelte Grenze von 3 000 m², ist auch einkommensteuerrechtlich von einem landwirtschaftlichen Betrieb auszugehen, sofern die Beweisanzeichen nicht erschüttert werden.
Normenkette
§ 34 Abs. 7 BewG, § 3 Nr. 26a, § 13 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3, § 15 Abs. 2 EStG, § 123 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 130, § 150 Abs. 1 SGB VII
Sachverhalt
Die zwischenzeitlich verstorbene Mutter der Klägerinnen hatte diesen im Jahr 2001 ihren Grundbesitz im Wege vorweggenommener Erbfolge übertragen. Ursprünglich umfasste der Grundbesitz eine Fläche von 7 850 m², wovon eine Tochter im Jahr 1981 bereits eine Teilfläche mit der Größe von ca. 1 400 m² erhalten hatte. Die Grundstücke waren schon lange zuvor im Familienbesitz gewesen und auf den 01.01.1935 als Betrieb der Land- und Forstwirtschaft bewertet worden. Auch in der Einheitswerterklärung auf den 01.01.1964 waren Angaben zu dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gemacht worden. Zuletzt hatte 1990 der landwirtschaftliche Sachverständige nach einer Ortsbesichtigung vermerkt, dass noch ein landwirtschaftlicher Betrieb bestehe und ein Trecker vorhanden sei. Die Mutter hatte Beiträge zur landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft und Landwirtschaftskammer entrichtet. Wann zuletzt Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erklärt wurden, war nicht mehr festzustellen.
Das FA ging davon aus, dass im Jahr 2001 noch ein landwirtschaftlicher Betrieb bestanden hatte, und behandelte die Übertragung des Grundstücks auf die eine Tochter als Entnahme. Die dagegen gerichtete Klage hatte vor dem FG Erfolg, weil nach Auffassung des FG nicht festgestellt werden konnte, ob jemals ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb mit Gewinnerzielungsabsicht unterhalten worden sei (FG Münster, Urteil vom 11.09.2008, 3 K 4675/05 E, Haufe-Index 2084771, EFG 2009, 178).
Entscheidung
Der BFH gab der Revision des FA statt und wies die Klage ab. Aus der Bewertung als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb ergebe sich ein Beweisanzeichen dafür, dass seinerzeit ein Betrieb auch im ertragsteuerlichen Sinn bestanden habe. Eine anschließende Betriebsaufgabe sei nicht feststellbar, selbst wenn zwischenzeitlich zur reinen Eigenbedarfsbewirtschaftung übergegangen worden sein sollte.
Hinweis
1. Das Urteil betrifft die Frage, wie lange ein landwirtschaftlicher Kleinstbetrieb fortbestehen kann und welche Indizien für die notwendigen Feststellungen herangezogen werden können. Diese Frage muss i.d.R. dann beantwortet werden, wenn bisher landwirtschaftlich genutzte Grundstücke zur Bebauung verkauft oder im Wege vorweggenommener Erbfolge übertragen werden.
2. Kernaussage des Urteils ist, dass sich aus der Einheitsbewertung als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb darauf schließen lässt, dass zum Bewertungsstichtag ein mit Gewinnerzielungsabsicht betriebener land- und forstwirtschaftlicher Betrieb i.S.d. Ertragsteuerrechts bestand. Wird später ein zugehöriges Grundstück übertragen, darf das FA von der Eigenschaft als Betriebsvermögen ausgehen, wenn nicht die Betriebsgröße vorher unter die Mindestbetriebsgröße von 3 000 m² gesunken war oder der Übertragende nachweisen kann, dass zwischenzeitlich das Grundstück entweder entnommen oder der gesamte land- und forstwirtschaftliche Betrieb aufgegeben worden ist. Die Einheitswertfeststellung verlagert also insoweit die Feststellungslast auf den Steuerpflichtigen.
3. Die Einstellung einer Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr oder die Aufgabe der früher bestehenden Gewinnerzielungsabsicht führen für sich genommen noch nicht zu einer Betriebsaufgabe. Im erstgenannten Fall kann auch eine Betriebsunterbrechung vorliegen, die nicht zur Entstrickung der stillen Reserven führt. Im zweiten Fall findet ein Übergang zur Liebhaberei statt, der auch keine Betriebsaufgabe darstellt, sondern lediglich das "Einfrieren" der stillen Reserven und deren gesonderte Feststellung zur Folge hat (§ 8 VO zu § 180 Abs. 2 AO). Beruft sich der Steuerpflichtige auf derartige Vorgänge, führt er hierdurch nicht den Nachweis, dass die früher aktiv bewirtschafteten Grundstücke zwischenzeitlich zu Privatvermögen geworden sind. Es bedarf vielmehr des Nachweises konkreter Entnahmevorgänge oder einer ausdrücklichen Betriebsaufgabe.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 05.05.2011 – IV R 48/08