Kommentar
An die zusammenveranlagten Steuerzahler ergingen für die Jahre 1984 und 1985 Einkommensteuerbescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Nach einer Au- ßenprüfung ergingen am 27. 4. 1988 endgültige Bescheide, danach am 14. 12. 1988 nach § 175 AO geänderte Bescheide und schließlich für 1984 am 5. 1. 1990 ein weiterer Änderungsbescheid. Am 21. 12. 1990 beantragten die Steuerzahler, für noch nicht festsetzungsverjährte Jahre die Einkommensteuerbescheide in der Weise zu ändern, daß die Grundfreibeträge, die Kinderfreibeträge und alle sonstigen Beträge in der Höhe zu berücksichtigen sind, die sich aufgrund der zu erwartenden gesetzlichen Neuregelung ergeben werden. Am 3. 1. 1991 erstattete der Steuerzahler Selbstanzeige, indem er für 1984 bis 1989 nicht erfaßte Betriebseinnahmen nachmeldete. Die Selbstanzeige überprüfte die Steuerfahndungsstelle. Mit Bescheid vom 13. 1. 1992 lehnte das Finanzamt die Änderung der Einkommensteuerbescheide mit der Begründung ab, dem Antrag aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht entsprechen zu können, da er nicht vor Ablauf der Rechtsbehelfsfrist gestellt worden sei. Mit Bescheiden vom 23. 4. 1993 änderte das Finanzamt die Einkommensteuerbescheide 1984 bis 1985 nach § 173 AO , indem es entsprechend dem Fahndungsbericht das zu versteuernde Einkommen erhöhte. Wegen anhängiger Verfassungsbeschwerden wurden die Festsetzungen für vorläufig erklärt. Der BFH hatte zu entscheiden, ob diese Änderungsbescheide rechtmäßig waren ( Änderungsvorschriften ).
Die Änderungsbescheide vom 23. 4. 1993 ergingen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu Recht. Neue, steuererhöhende Tatsachen sind die in der Selbstanzeige vom 3. 1. 1991 angegebenen, nicht erklärten Betriebseinnahmen. Diese Tatsachen sind dem Finanzamt nach Erlaß der Bescheide vom 5. 1. 1990 bzw. 14. 12. 1988 bekannt geworden. Für die Frage des nachträglichen Bekanntwerdens ist nicht auf den Zeitpunkt des ablehnenden Steuerverwaltungsakts vom 13. 1. 1992 abzustellen. Dies ist kein Änderungsbescheid, bei dessen Vorliegen der Zeitpunkt seines Erlasses für die Beurteilung, ob eine Tatsache nachträglich bekanntgeworden ist, maßgebend ist. Er ist zwar einem Steuerbescheid gleichgestellt, aber er ist kein die bisherigen Steuerfestsetzungen ändernder Bescheid, da er den ursprünglichen Bescheid nicht in seinen Regelungsbescheid aufnimmt. Dessen Wirksamkeit läßt er unberührt. Das Finanzamt hat in seinem ablehnenden Bescheid vom 13. 1. 1992 keine Entscheidung getroffen, ob es die bestandskräftigen Festsetzungen nach § 173 AO ändern wird. Der Regelungsinhalt des Bescheids beschränkte sich auf die Ablehnung der vom Steuerzahler im Hinblick auf die Rechtsprechung des BVerfG zum Familienausgleich begehrten Änderungen der Steuerbescheide für die noch nicht festsetzungsverjährten Jahre. Das Finanzamt hatte eine inhaltliche, materielle Änderung abgelehnt, weil die Bescheide bestandskräftig waren.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 18.12.1996, XI R 36/96