Prof. Dr. Bernd Heuermann
Leitsatz
1. Wird ein i.S.v. § 17 Abs. 1 EStG qualifiziert an einer Kapitalgesellschaft beteiligter Gesellschafter vom Gläubiger der Kapitalgesellschaft aus einer eigenkapitalersetzenden Bürgschaft in Anspruch genommen und begleicht er seine Schuld vereinbarungsgemäß ratierlich, entstehen nachträgliche Anschaffungskosten nur in Höhe des Tilgungsanteils (Anschluss an BFH-Urteil vom 26.1.1999, VIII R 32/96, BFH/NV 1999, 922).
2. Eine Teilzahlungsvereinbarung wirkt materiell-rechtlich und damit als rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO auf den Zeitpunkt des Entstehens des Auflösungsverlusts zurück.
Normenkette
§ 6 Abs. 1 Nr. 3, § 17 Abs. 1, 2 und Abs. 4 EStG, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 181 Abs. 1 Satz 1 AO, § 12 BewG
Sachverhalt
K war zu 50 % Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH. In den Jahren 1995 bis 1997 verpflichtete er sich für die GmbH als Bürge. Diese Bürgschaft ersetzte Eigenkapital. 1998 wurde K aus der Bürgschaft in Anspruch genommen und erkannte die Schuld von 800.000 DM zugunsten der Bank an. Im Streitjahr (1999) wurde die GmbH aufgelöst. K schloss mit der Bank einen Erlassvertrag und musste aufgrund dessen 200.000 DM zinslos in gleichbleibenden Jahresraten von 20.000 DM zahlen. Das FA berücksichtigte die abgezinste Bürgschaftsverpflichtung als nachträgliche Anschaffungskosten. K zahlte bis 2003, danach aber nicht mehr. Aufgrund einer neuen Vereinbarung zahlte er ab 2007 monatlich 700 EUR. Das FA berücksichtigte nun im Streitjahr die abermals abgezinste Verpflichtung als nachträgliche Anschaffungskosten und stellte insoweit den Auflösungsverlust fest. Die Klage hatte Erfolg, weil – so das FG – die Unverzinslichkeit nicht die Höhe der Anschaffungskosten beträfe (FG Köln, Urteil vom 18.1.2012, 3 K 594/09, Haufe-Index 3289406, EFG 2012, 2021).
Entscheidung
Die Revision des FA hatte Erfolg: Der BFH hob die Vorentscheidung auf und wies die Klage ab. Das FA war verpflichtet, den Verlustfeststellungsbescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern und die Teilzahlungsvereinbarung aus dem Jahr 2007 im Wege der Abzinsung zu berücksichtigen.
Hinweis
Wird ein qualifiziert beteiligter GmbH-Gesellschafter nach der Auflösung der GmbH von der Bank aus einer eigenkapitalersetzenden Bürgschaft in Anspruch genommen, entstehen ihm nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung. Wenn er aufgrund einer Vereinbarung mit der Bank erreicht, die Schuld in Raten begleichen zu können, fragt es sich, ob die nachträglichen Anschaffungskosten abzuzinsen sind.
1. Nachträgliche Anschaffungskosten sind in den Auflösungsverlust nach § 17 Abs. 1 und 4 EStG einzubeziehen. Darunter fallen Leistungen des GmbH-Gesellschafters aus einer für Verbindlichkeiten der Kapitalgesellschaft eingegangenen Bürgschaftsverpflichtung, wenn die Übernahme der Bürgschaft durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und die Rückgriffsforderung gegen die Gesellschaft wertlos ist.
2. Die Anschaffungskosten erhöhen sich um den Nennwert der wertlos gewordenen Rückgriffsforderung, wenn die Gesellschaft im Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme bereits in der Krise war. Der Nennwert der Rückgriffsforderung richtet sich danach, inwieweit der GmbH-Gesellschafter aus der Bürgschaft in Anspruch genommen wurde. Denn nur insoweit kann er vom Hauptschuldner – der GmbH – Aufwendungsersatz gem. §§ 675, 670 BGB verlangen. Auch die Forderung der Gläubigerbank gegen die GmbH geht nach § 774 Abs. 1 BGB auf den Bürgen (den Gesellschafter) über, soweit er die Gläubigerbank befriedigt.
3. Eine Teilzahlungsvereinbarung des als Bürge in die Pflicht genommenen Gesellschafters mit der ihn für Verbindlichkeiten der GmbH in Anspruch nehmenden Bank führt zu einer Reduzierung der nachträglichen Anschaffungskosten in Höhe der Differenz zwischen Nennwert und abgezinsten Betrag. Die Verbindlichkeit aus der Bürgschaft ist im Rahmen der an den §§ 4, 5 EStG orientierten Gewinnermittlungsvorschrift des § 17 Abs. 2 EStG nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG abgezinst zu bewerten. Auch jenseits dessen wäre sie als betagte Verbindlichkeit des Privatvermögens für die Zwecke der Einkommensbesteuerung nach § 12 Abs. 3 BewG in nämlicher Weise abgezinst zu bewerten; § 1 BewG.
4. Nachträgliche Anschaffungskosten entstehen also nur in Höhe des Tilgungsanteils, während der Zinsanteil den Vorteil ausgleicht, die Bürgschaftsverbindlichkeit in Raten begleichen zu dürfen. Eine weitere Teilzahlungsvereinbarung führt zu einer erneuten Reduktion der nachträglichen Anschaffungskosten und wirkt nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO auf den Zeitpunkt der Auflösung zurück.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 20.11.2012 – IX R 34/12