rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe: Kindergeld für ein drogensüchtiges, inhaftiertes Kind
Leitsatz (redaktionell)
- Zu den Voraussetzungen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
- Für ein Kind unter 21 Jahren, das inhaftiert ist und keine entsprechende Meldung bei der Agentur für Arbeit getätigt hat, kommt eine Kindergeldberechtigung nach § 32 Abs. 4 Nr. 1 EStG nicht in Betracht.
- Eine Suchterkrankung eines volljährigen Kindes als solche ist kein Tatbestand, der zu einer Kindergeldberechtigung führt.
- Die Suchtbehandlung ist keine Berufsausbildung i. S. des § 32 Abs. 4 Nr. 2a EStG.
- Auch eine Drogentherapie im Jugendstrafvollzug führt per se nicht zur Kindergeldberechtigung.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 Nr. 1 und Nr. 2a
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Fortzahlung von Kindergeld für ihren Sohn über die Vollendung des 18. Lebensjahres hinaus. Dieser ist durch Urteil des Jugendschöffengerichts wegen gefährlicher Körperverletzung und Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetzes zu einer Einheitsjugendstrafe verurteilt worden. Er ist im geschlossenen Jugendstrafvollzug inhaftiert. Aufgrund seiner Drogensucht nimmt er dort an der anstaltsinternen Suchttherapie teil und wird arbeitstherapeutisch beschäftigt. Das Behandlungsende ist noch nicht absehbar; nach der Entlassung plant er die Fahrerlaubnis für Lastkraftwagen zu erwerben und eine Beschäftigung im Güterverkehr zu finden.
Die Klägerin ist entgegen der in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Auffassung der Meinung, dass die Suchttherapie ihres Sohnes als ausbildungsvorbereitende Maßnahme zur Kindergeldberechtigung nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2c EStG führe. Ohne die Therapie könne ihr Sohn keine Ausbildung beginnen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war zurückzuweisen.
1. Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Die Rechtsverfolgung verspricht hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn bei summarischer Prüfung für seinen Eintritt eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Für die Gewährung der Prozesskostenhilfe kommt es wesentlich darauf an, ob bei summarischer Prüfung und Würdigung der wichtigsten Tatumstände der vom Antragsteller begehrte Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat, eine abschließende Prüfung der Erfolgsaussichten ist insoweit jedoch nicht erlaubt (BFH-Beschluss vom 23. Januar 1991, II S 15/90, BStBl. II 1991, 366 m.w.N.).
2. Nach dieser Prämisse hat die Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg. Der Beklagte ist in dem angefochtenen Aufhebungsbescheid zu Recht davon ausgegangen, dass der Klägerin für ihren Sohn kein Kindergeld mehr zusteht.
a) Eine Kindergeldberechtigung nach § 32 Abs. 4 Nr. 1 EStG (arbeitssuchende Kinder unter 21 Jahren) kommt wegen der Inhaftierung und der ersichtlich fehlenden entsprechenden Meldung bei der Agentur für Arbeit nicht in Betracht (vgl. Urteil des FG Sachsen-Anhalt vom 12. Februar 2008, 4 K 435/06, EFG 2008, 1393f.).
b) Eine Suchterkrankung eines volljährigen Kindes als solche ist kein Tatbestand, der zu einer Kindergeldberechtigung führt. Die Behandlung dieser Sucht dient ersichtlich der Verbesserung der Gesundheit und auch der Verhinderung weiterer Delinquenz.
aa) Die Suchtbehandlung ist keine Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 Nr. 2a EStG. Dies ist nur eine ernstlich betriebene, konkrete Vorbereitung auf einen künftigen Beruf im Sinne des Erwerbs von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs oder diesbezügliche (Weiter-)Qualifizierungen, nicht aber allgemeine Maßnahmen zur Verbesserung des Gesundheitszustandes oder der sozialen Kompetenz (vgl. Loschelder in Schmidt, EStG, 31. Aufl. 2012, Rz. 26 m.w.N., DA-FamEStG 63.3.2.1.1). Mithin dürfte (erst) der nach der Haftentlassung angestrebte Erwerb der Fahrerlaubnis für Lastkraftwagen als Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 Nr. 2a EStG anzusehen sein.
Schon wegen der insgesamt nur zweijährigen Haftzeit ist - auch unter Würdigung des vorgelegten Erziehungs- und Förderplans - nicht ersichtlich, dass die Drogentherapie integraler Bestandteil einer konkreten, zur Kindergeldberechtigung führenden, Berufsausbildung im Jugendstrafvollzug sein könnte.
bb) Aus der Teilnahme an der Suchtbehandlung lässt sich auch k...