vorläufig nicht rechtskräftig
Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [XI R 16/11)]
Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuerpflichtige Zimmervermietung an Prostituierte
Leitsatz (redaktionell)
- Die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zu kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält, ist nicht von der USt befreit.
- Eine steuerfreie Grundstücksvermietung i. S. des § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG liegt nur vor, wenn ein Hausbesitzer Zimmer an Prostituierte überlässt, jedoch weder ein Bordell oder bordellartiger Betrieb noch eine vom Hausbesitzer geschaffene und unterhaltene Organisation zur Förderung der „gewerbsmäßigen Unzucht” der Bewohnerinnen feststellbar ist, die in dem Haus ihren festen Wohnsitz haben.
- Haben Prostituierte im Vermietungsobjekt keinen dauernden Wohnsitz und erfolgen die Raumüberlassungen immer nur für kurze Zeiträume, ist eine steuerfreie Vermietungsleistung nicht gegeben. Das gilt insbesondere auch dann, wenn der Vermieter dafür Sorge trägt, dass die Bezahlung der Prostituierten mittels eines sog. EC-Cash-Geräts erfolgen kann und die Freier und die Prostituierten gegen gesondertes Entgelt Getränke erwerben können.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 12 Buchst. a, Nr. 12 S. 2
Streitjahr(e)
1998
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob Umsätze aus der Vermietung von Zimmern an Prostituierte umsatzsteuerpflichtig sind (§ 4 Nr. 12 Satz 2 Umsatzsteuergesetz – UStG –) und ob die gegenüber den Prostituierten erbrachten Leistungen neben den Merkmalen eines Miet- bzw. Pachtvertrages auch Merkmale anderer Vertragsarten beinhalten, deren Entgelte der Umsatzsteuer zu unterwerfen sind.
Die Klägerin betreibt in der Stadt X (im Folgenden: X) und in der Stadt Y (im Folgenden: Y), eine gewerbliche Zimmervermietung an Prostituierte. Die Objekte in X und Y stehen seit 1988 im Eigentum der Klägerin. Beide Grundstücksobjekte hat die Klägerin in Erbfolge nach ihrem Vater unentgeltlich erworben. Dieser hatte seinerseits die Grundstücke im Jahr 1953 gekauft.
Die Klägerin vermietet in den Objekten einfach möblierte Zimmer an die dort tätigen Prostituierten. Die Zimmer werden einzeln ausschließlich an jeweils eine Prostituierte vermietet, eine Nutzung von Zimmern durch mehrere Prostituierte findet nicht statt. Die Prostituierten nutzen ihr jeweiliges Zimmer selbst und haben dort ihre persönlichen Sachen und zum Teil eigene kleinere Möbel untergebracht. Die Zimmer sind ausgestattet mit einem Alarmknopf und einer Gegensprechanlage. Das Objekt in X ist mit einer Gemeinschaftsküche mit Esstisch und Fernsehgerät, das Objekt in Y jeweils mit einer Teeküche ausgestattet. Die Klägerin vereinnahmt die Mieten für die Zimmer täglich. Die Miete betrug im Streitjahr in X täglich 70 DM und in Y täglich 40 DM. Zur Absicherung der Mietforderungen haben die Prostituierten der Klägerin eine Mietkaution zu zahlen, die durch tägliche Raten i.H.v. aktuell 20 € bis auf die Kautionshöhe von 1.000 € gezahlt wird. Die Mietkaution wird nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückgezahlt, soweit nicht noch Ansprüche der Klägerin aus dem Mietverhältnis – beispielsweise aus gestundeten Mietforderungen – (sog. „Blockschulden”) – bestehen. Schriftliche Mietverträge hat die Klägerin mit den Prostituierten nicht abgeschlossen. Die Überlassungsverträge sind durchgängig mündlich und ohne nähere Zeitangabe, das heißt ohne Befristung abgeschlossen. Für den Fall, dass eine Gebrauchsüberlassung der Räumlichkeiten an die Prostituierte wegen Krankheit nicht erfolgen kann, mindert sich die Miete, bei längerer Abwesenheit der Prostituierten wird die Mietzinsverpflichtung ausgesetzt. Allerdings bestand in diesen Fällen ein Mindestanspruch der Klägerin auf 360 DM pro Monat.
Die Objekte sind zur Straßenseite – wie für Gebäude im Rotlichtmilieu typisch – mit sog. Kobern ausgestattet. Kennzeichnend für diese Räume ist, dass diese ein zur Straßenseite gerichtetes Schaufenster besitzen, durch welches die Prostituierten mit dem potentiellen Freiern Kontakt aufnehmen sowie Leistungen und Preise aushandeln können. Sowohl diese Kontaktaufnahme und die Einigung über die Inanspruchnahme der Leistungen der Prostituierten mit den Kunden als auch das Öffnen der jeweiligen Haustür sowie das Offenhalten der Gebäude erfolgt ausschließlich durch die Prostituierten selbst, nicht durch die Klägerin oder von ihr beauftragte Personen. Die Kober werden von allen Prostituierten genutzt, d.h. die Plätze in den Kobern sind variabel. Dort bieten sich im Schichtbetrieb mehrere Prostituierte an, die Beischlafzimmer werden grundsätzlich nur an bestimmte Prostituierte zur Nutzung vergeben.
Die Klägerin hat für das Haus in X eine Wirtschafterin angestellt, die jeden Tag von acht bis fünfzehn Uhr anwesend ist. Zu deren Aufgaben gehört neben der Vereinnahmung der Tagesmieten auch die Bewirtschaftung der Küche. Sie bereitet den Mieterinnen Frühstück und Mittagessen. Außerdem erledigt sie Einkäufe für die Pros...