Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsätze von Sprachheilpädagogen fallen nicht unter die Umsatzsteuerbefreiung des § 4 Abs. 14 UStG. Umsatzsteuer 1990
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten.
Der Streitwert wird auf 4.380 DM festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin ist Diplom-Pädagogin. Sie studierte an den Universitäten G. und H. (Pädagogische Hochschule) Diplompädagogik mit dem Schwerpunkt sonderpädagogische Einrichtungen/Sprachheilpädagogik Studienschwerpunkte der sonderpädagogischen Fachrichtung Sprachheilpädagogik lagen vor allem im Bereich linguistischer, phonetischer, erziehungswissenschaftlicher und medizinischer Aspekte. Inhalte der Sprachheilpädagogik im engeren Sinn waren die systematische Darstellung der „Störungen” wie:
- verzögerte Sprachentwicklung auf z.B. phonetisch-phonologischer Ebene, wie Syslalien, oder auch auf morphosyntaktischer Ebene, wie Dygrammatismus etc.,
- Störungen der Rede wie Stottern oder Poltern etc.,
- zentral-nervale Störungen des Sprechens und der Sprache, wie Dysarthrien, Aphasien etc. periphere Störungen des Sprechens, wie Dysglossien etc.,
- Sprech- und Sprachstörungen bei Schwerhörig- und Gehörlosigkeit,
- psychisch bedingte Sprech- und Sprachstörungen,
- Sprach- und Sprechstörungen bei geistig Behinderten,
- Störungen der Stimme
und deren therapeutische und erzieherische Beeinflussungsmöglichkeiten, sowie deren grund- und erziehungswissenschaftliche Erforschung. Neben der Darstellung von Definitionen, Ursachen, Erscheinungsformen und Einteilungen der Schädigungen und Störungen waren Lehrinhalt auch differential-diagnostische Abgrenzungen und Untersuchungs- und Behandlungsmethoden. Thema der Diplomarbeit der Klägerin war die „Frühförderung gehörloser Kinder …”.
Studienbegleitend absolvierte die Klägerin mehrere Praktika in sonderpädagogischen/sprachtherapeutischen und beratenden Einrichtungen. Bevor sich die Klägerin als freiberufliche Sprachtherapeutin niedergelassen hat, arbeitete sie zwei Jahre als Sprachtherapeutin in einem Sprachheilkindergarten.
Seit 1. Oktober 1989 betreibt die Klägerin eine „sprachtherapeutische Praxis”. Ihre sprachtherapeutische Tätigkeit hat sie beim Gesundheitsamt G. angemeldet. Ihre Praxis wurde von dem Gesundheitsamt G. und dem Landessozialamt Niedersachsen abgenommen. Sie ist im Behandler-Verzeichnis der Deutschen Gesellschaft für Sprachheilpädagogik e.V., Landesgruppe Niedersachsen, unter der Rubrik freiberufliche Sprachbehandler eingetragen. Nach der Darstellung des Landessozialamtes Niedersachsen ist die Klägerin gegenüber Logopädinnen höher qualifiziert. Ihre höherwertige Ausbildung schließe die Befugnisse der Ausbildung der geringwertigen Tätigkeiten einer Logopädin mit ein, ohne daß sie hierfür einer weiteren Zulassung bedürfte.
Die Klägerin rechnet ihre Leistungen aus der Praxis fast ausschließlich mit gesetzlichen Krankenversicherungen und privaten Versicherungen ab. Die AOK, der Landesverband der Betriebskrankenkassen Niedersachsen, die Innungskrankenkasse G. und der Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. bestätigten ihr, daß sie die persönlichen Voraussetzungen erfülle, als hauptberuflich tätige Sprachheilbehandlerin in freier Praxis tätig zu sein. Sie erteilten ihr gemäß § 124 Abs. 5 Sozialgesetzbuch (SGB) V die Zulassung für die Behandlung der anspruchsberechtigten Versicherten.
Die Klägerin arbeitet im „Delegationsverfahren” mit niedergelassenen Fachärzten zusammen.
Die Klägerin erklärte zunächst steuerpflichtige Umsätze.
Der Beklagte setzte die Umsatzsteuer antragsgemäß entsprechend der von der Klägerin eingereichten Umsatzsteuererklärung fest. Mit ihrem Einspruch machte die Klägerin geltend, ihre Berufsausübung sei der eines Logopäden vergleichbar. Daher seien ihre Umsätze gemäß § 4 Nr. 14 Umsatzsteuergesetz (UStG) umsatzsteuerbefreit. Der Beklagte wies den Einspruch als unbegründet zurück.
Mit der hiergegen erhobenen Klage beruft sich die Klägerin darauf, daß ihre Umsätze gemäß § 4 Nr. 14 UStG umsatzsteuerbefreit seien. Sie stützt sich dabei auf ein von ihr vorgelegtes Gutachten, auf das Bezug genommen wird. Danach ergebe die historische Auslegung, daß der Begriff der „ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit” in § 4 Nr. 14 UStG weit auszulegen sei. Die Literatur lehne praktisch einstimmig die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung als entscheidendes Kriterium ab und stelle statt dessen auf diagnostisch-therapeutische Tätigkeiten, einen normierten Ausbildungsgang und ähnliche Maßnahmen der (Mindest-)Qualitäts-Sicherung, ab. Dieser Rechtsstandpunkt sei u.a. auch vom Finanzgericht Düsseldorf (Beschluß vom 28. September 1993, 16 V 2443/93 A) vertreten worden. Die Rechtsprechung sei in ihren Entscheidungen teils von falschen Sachverhalten, teils von falschen rechtlichen Schlüssen ausgegangen. Soweit es dem Bundesfinanzhof in seinen Entscheidungen um den Zweck gehe, „die Qualität einer medizinischen Behandlung zu gewährleisten”, sei diese Auffassung unverhältn...