vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [XI R 46/08)]
Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Umsatzsteuerfreiheit für sog. „Haus-Notruf-Dienste” sowie „Ärztliche Notdienste”
Leitsatz (redaktionell)
- Ein „Haus-Notruf-Dienst” unterliegt nicht der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 18 UStG. Stpfl., die in der abschließenden Aufzählung des § 23 UStDV nicht aufgeführt sind, kommen nicht in den Genuss der Steuerbefreiung.
- § 4 Nr. 18 UStG i.V.m. § 23 UStDV stehen mit EU-Recht nicht im Einklang. Soweit § 23 UStDV für Zwecke der Umsatzsteuerbefreiung die amtlich anerkannten Verbände der freien Wohlfahrtspflege abschließend aufzählt, widerspricht dies dem gemeinschaftsrechtlichen Gleichbehandlungsgebot.
- Eine Einrichtung, die gleichartige Tätigkeiten ausübt, wie die in § 23 UStDV genannten Verbände, kann sich unmittelbar auf die Befreiungsregelung in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der MwStSystRL berufen.
- Die Tätigkeitsbereiche „Haus-Notruf-Dienst” und „Ärztlicher Notdienst” sind von der USt zu befreien; das gilt nicht für das Tätigkeitsfeld „Menüservice”.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 18; UStDV § 23; MwStSystRL Art. 132 Abs. 1 Buchst. g
Streitjahr(e)
1998, 1999, 2000, 2001
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Frage der Umsatzsteuerbefreiung. Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der in den Streitjahren folgende Tätigkeiten ausübte:
Rettungsdienst,
Haus-Notruf-Dienst,
Erste-Hilfe-Kurse,
Menüservice,
Ärztlicher Notdienst,
Häusliche Krankenpflege.
Im Rahmen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung des Beklagten (Finanzamt – FA –) gelangte der Prüfer zu dem Ergebnis, dass die Leistungen des Klägers aus dem Rettungsdienst, den Erste-Hilfe-Kursen und der häuslichen Krankenpflege umsatzsteuerfrei zu behandeln seien.
Streitig blieb die umsatzsteuerliche Behandlung des Haus-Notruf-Dienstes, des Menüservices und des ärztlichen Notdienstes. Das FA vertrat hierzu die Auffassung, dass Haus-Notruf-Dienst und ärztlicher Notdienst mit dem Regel-/ Normalsteuersatz (§ 12 Abs. 1 UStG) und der Menüservice mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Umsatzsteuergesetz (UStG) von 7 % anzusetzen seien. Aufgrund dieser Feststellungen erließ das FA geänderte Umsatzsteuer-Bescheide. Gegen diese Änderungsbescheide hat der Kläger Einspruch eingelegt, den das FA mit Einspruchsbescheid vom 21.01.2003 als unbegründet zurückgewiesen hat.
Hiergegen richtet sich die Klage. Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, dass die bezeichneten Tätigkeiten von der Umsatzsteuer zu befreien seien. Bei den streitig gebliebenen Tätigkeitsbereichen handele es sich jeweils um einen Zweckbetriebe i.S.d. § 66 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO). Alle drei Bereiche seien nach § 4 Nr. 18 UStG umsatzsteuerfrei. Im Einzelnen:
a) Haus-Notruf-Dienst:
Der Haus-Notruf-Dienst sei ein Zweckbetrieb nach §§ 65, 66 AO. Es handele sich um eine Einrichtung der Wohlfahrtspflege, die im besonderen Maße den in § 53 AO genannten Personen diene. Hierzu gehörten insbesondere solche Personen, die infolge ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes auf die Hilfe anderer angewiesen seien. Nach § 66 Abs. 3 AO diene eine Einrichtung der Wohlfahrtspflege dann im besonderen Maße diesen Personen, wenn ihre Leistungen diesen Personen mindestens zu 2/3 zugute komme. Diese Voraussetzung sei im Streitfall erfüllt. Die Hilfsbedürftigkeit wegen des körperlichen Zustands i.S.d. § 53 Nr. 1 AO könne ohne Nachprüfung bei diesen Personen dann angenommen werden, wenn sie das 75. Lebensjahr vollendet hätten. Aus entsprechenden Aufstellungen, die der Klagebegründungsschrift beigefügt seien, ergebe sich, dass diese Voraussetzungen im Streitfall erfüllt seien.
Hilfsweise sei für den Zweckbetrieb Haus-Notruf-Dienst in jedem Fall die Steuermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 a UStG zu gewähren.
b) Menüservice:
Bei dem Menüservice handele es sich um das bekannte Essen auf Rädern, wie es auch andere gemeinnützige Organisationen, wie zum Beispiel die Malteser oder der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband anböten. Mahlzeitendienste seien in § 68 Nr. 1 a AO ausdrücklich aufgeführt. Es handele sich um Zweckbetriebe, wenn sie in besonderem Maße den in § 53 AO genannten Personen dienten, wie es zum Haus-Notruf-Dienst ausgeführt sei. 74,58 % der Teilnehmer am Menüservice seien über 75 Jahre alt. Die Voraussetzungen für einen Zweckbetrieb lägen somit vor.
c) Ärztlicher Notdienst:
Auch insoweit handele es sich um einen Zweckbetrieb i.S.d. § 66 Abs. 1 AO. Es handele sich nicht um einen Fahrdienst für Ärzte. Hierfür würde jeder beliebige Kraftfahrer ausreichen. Im Streitfall werde jedoch vom Kläger jeweils ein Rettungssanitäter oder Rettungsassistent eingesetzt. Dieser fahre nicht nur den behandelnden Arzt zum Einsatzort, sondern unterstütze diesen bei der medizinischen Versorgung der jeweiligen Patienten. Seine Hilfeleistung erfolge direkt gegenüber den Patienten. Im Unterschied zu Fahrdiensten bleibe somit...